Vermutlich wird meine kratzige Stimme aus Hessen, während es wahlweise ein Pfeifchen schmaucht oder mit Mutti ein Likörchen schlürft, diese Zeilen lesen und sagen: "Eule tzzzz, lass doch endlich mal los." Oder so ähnlich vielleicht.
Ich bin übrigens ein Mensch, der absolut nicht nachtragend ist und Böses und Arges sofort (wirklich sofort) vergisst, wenn die Dinge bereinigt sind.
Demgegenüber gibts aber auch Dinge, die sind so festgebrannt im Hirn, dass ich mir noch nicht sicher bin, ob Altersdemenz auch eine Art Erlösung sein kann. Für so Erinnerungen, meine ich.
Der 15.08. bezeichnet so einige Jahrestage in meinem Umfeld - Geburtstage vor allem.
Er bezeichnet aber auch genau diesen Tag im Jahr 2006, an dem ich morgens auf dem Weg in die Arbeit feststellte, dass die Lenkung meines damaligen Fahrzeugs nicht mehr reagierte.
Heute vor acht Jahren lag ich mit verbundenem Kopf und geplatzter Muskulatur im Krankenbett - mit dem Bewusstsein nach dem ersten Schock, dass auch alles hätte hier und jetzt zuende sein können. Mit mir.
Und den Worten meines Vaters im Ohr: "Deine Zeit war noch nicht gekommen."
Rückblickend denke ich, dass es der Unfall war, der vieles in mir zu einem Umbruch angestoßen hat. Dass ich eine Woche nach diesem Unfall verlassen wurde, hat das Trauma, das mich noch Jahre danach gequält hat, sozusagen vollendet. Und rückblickend denke ich eben, dass es genau diese Erfahrungen waren, die ein Umdenken, ein Umfühlen, ein Umändern des eigenen Verhaltens bewirkt haben.
"Was uns nicht umbringt, macht uns stärker", heißt es. Eigentlich mag ich diesen Spruch nicht. Gleichwohl denke ich inzwischen, dass so viel Wahres darin steckt. Es passiert nicht sofort, es geht nichts sofort. Und doch leiten sich schleichende Prozesse ein, die mich heute eher an dieses sich Häuten erinnern. Die Schlangen zum Beispiel tun das und lassen ihre alte Hülle zurück.
Und manchmal... an Tagen wie diesen, wo ich auf den Kalender schaue, habe ich das Gefühl, ich sehe sie vor mir - diese abgelegte Haut... Dieses zarte Mäntelchen aus Unbedarftheit, aus Urvertrauen, Zutrauen.
Jedes Jahr an diesem Tag denke ich immer wieder daran.
Oder wenn ich diesen Song höre "The sun always shines on TV" - bei diesem Song bin ich verunglückt.
Letztens war ich mit den gelben Seiten unterwegs, im Auto, und dieser Song spielte im Radio, und ich sagte, woran ich dachte. Ich sagte es einfach nur - eine Feststellung ohne Gänsehaut, ohne Schauer auf dem Rücken, ohne Schmerz. Er hat den Radiosender sofort verstellt.
Aber das löscht es nicht aus. Verdrängen, verstellen - das löscht die Erinnerung nicht aus.
Es ist jedoch auch wichtig für mich, dass ich heute über diese Zeit sprechen, daran denken kann, als würde ich vom Baden im See am letzten Wochenende erzählen.
Ich glaube, dass das wichtig ist. Das Verarbeiten und auch das verarbeiten dürfen; die Zeit haben dürfen, die es braucht. Egal, wie lange es dauert.
Heute denke ich nur noch selten daran. Im Grunde eigentlich nur... bei diesem Song. Und an jedem 15.08. Doch was ich seither bis heute vermisse, ist meine Unbeschwertheit. Und mein Urvertrauen.
Acht Jahre hat es gedauert, um zu verarbeiten.
Ich denke, Unbeschwertheit und Urvertrauen sind auch ebenso nur eine Frage der Zeit.
5 Kommentare:
Ich wünsche Dir, das beides mit dem Umzug wieder einzieht :-*
Ich dank Dir :) Und ich glaub, das klappt :)
"Was uns nicht umbringt, macht uns stärker" - das glaube ich schon und der Spruch ist mir wesentlich sympathischer als "Es wird einem nur so viel aufgebürdet, wie man tragen kann" oder so ähnlich. Ein selten blöder Spruch, der mich rasend macht.
Und das Loslassen... hm... ich finde, dass es da schon einen Unterschied zwischen (bereinigtem) Kleinschiet gibt und den Dingen, die einen nachhaltig ändern und ihre Spuren hinterlassen. Die lässt du nicht los, sondern integrierst sie in dein Leben. Aber mit der Meinung stoße ich eingentlich fast immer auf Unterständnis. ;)
Dir wünsche ich, dass sich die Unbeschwertheit wieder einstellt und sich das Urvertrauen regeneriert. So ein Tapetenwechsel ist vielleicht doch gar nicht so übel. ;)
Liebe Helma, auch ich würde dir gern an diesem Tag schönere Gedanken wünschen.
Aber du hast Recht, manches verdaut, verarbeitet und vergisst man sehr, sehr langsam.
Dein Tag kommt unaufhörlich näher und steht fast vor der Tür!
Der Vergleich mit der Schlange gefällt mir auch besser, ist es doch so, daß eine Schlange sich häutet, wenn sie wächst, sie streift die Haut ab, wenn diese zu klein geworden ist und das dauert nun mal seine Zeit.
Ich wünsch dir alles, alles Gute in der neuen Stadt! Kommst ja gerade richtig für lange laubraschelnde Spaziergänge am Fluss. :)
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