Es gibt Menschen, die müssen über die Dinge, die ihnen auf der Seele liegen, reden können.
Wenn sie es nicht können, dann singen sie.
Wenn sie nicht singen können, dann tanzen sie.
Es gibt Menschen, die können weder das eine noch das andere - und sie wollen es mitunter auch nicht. Sie wollen alles mit sich selbst regeln - und wundern sich am Ende des Tages vielleicht, warum sie so verbittert, so hart und auch... in gewisser Weise so desillusioniert sind.
Ich kann nicht singen, ich kann nicht tanzen - und seit wenigen Jahren kann ich auch nicht so gut über all das reden, das sich in mir aufgestaut hat.
Ich glaub, am besten, was das Gefühl herauslassen betrifft, funktioniert bei mir das Schreiben.
Es gibt so... Momente, da kann ich es, da muss ich es - auch über Dinge, die so lange her sind. Um zu verstehen, woher Ängste kommen, Zweifel, auch die an sich selbst.
Diese Momente kommen und gehen, ich kann nicht steuern, wann sie kommen, ich kann maximal beeinflussen, dass sie wieder gehen. Ungesagt und ungehört - oder auch nicht.
"Man muss es auch mal gut sein lassen", wurde mir bereits 2008 in der Schmerzklinik gesagt, "aber jetzt ist es noch zu früh."
Ja. Ich weiß. Irgendwann muss man loslassen, sich auf das Heute, Jetzt und Hier konzentrieren. Nicht im Vergangenen leben, auch dann nicht, wenn man - wie ich - sagt, dass man nur zurückschaut, um zu sehen, wie weit man gekommen ist. Es ist nicht immer nur dieses Zurückschauen. Es ist manchmal auch... eine Erinnerung. Ein Wort, eine Melodie - oder das Leben fremder Menschen, das an eigenem rührt, das eigenes berührt und Fragen erweckt, die vielleicht bis heute nicht beantwortet wurden.
Als der Liebste heute eine geschlagene Stunde eher heimkehrte als sonst, freute ich mich sehr: Heute Morgen hatte ich mich im Büro krank melden müssen. Schwerstgewichte an Armen und Beinen, Fieber und Bauchkrämpfe, von einem Moment auf den anderen, und ich bin da ganz zuversichtlich, dass sich das so schnell verliert wie es kam. So ist es ja meist.
Nun war er eher da als gedacht, er bereitete das Essen, er telefonierte - und dann war er auf einmal da, so ein Moment. Einer dieser Momente, wo ich frage, hinterfrage, wo ich es ganz genau wissen will.
"Ich finde das nicht schön, wenn du das so sagst."
"Das ist mir jetzt aber egal. Ich sage es so, wie ich mich fühle. Ich sage es so, wie ich es empfinde."
"Dann tut es mir leid, dass du es so empfindest, aber ich kann dir sagen, dass es anders ist als du denkst."
"Deswegen hinterfrage ich es! Ich will nicht grübeln, ich will nicht interpretieren, ich will nichts hineindenken, ich will es wissen."
Wir reden über das Betrügen und Betrogen werden, ohne dabei jedoch unsere Koffer zu entpacken, die wir mit uns herumschleppen und die wir mitbrachten bei unserer allerersten Begegnung, wir reden aber über Geheimnisse, über Lügen, über zurechtgebogene Wahrheiten. Wir beide kennen beide Seiten, auch miteinander, und in all den Jahren, die wir uns kennen und uns immer wieder als Paar versuchten, erschien die Kluft zwischen uns tief. Zu tief manchmal, um sie überwinden zu können. Wie oft wollten wir beide gehen, alles hinwerfen, auf alles pfeifen, einfach abhauen und woanders sein - ohne einander. Wie oft haben wir das auch getan, manchmal für ein Jahr oder länger. Ließen andere Menschen in unser Leben und dann doch wieder zurück auf Anfang. Nur dass eben der Anfang ab einem bestimmten Punkt einfach nicht mehr geht... Wie oft glaubten wir, dass wir über diese Kluft einfach nicht kommen können.
"Ich will nicht über all das reden. Ich will genießen, dass wir heute und hier zusammen sind."
"Ja das will ich auch." Aber ich will auch an die Wurzel meiner Zweifel. Meiner Unsicherheit. Die tief in mir verankert sind wie ein Backenzahn mit sechs Wurzelköpfen. Der kann auch nicht herausgebeten werden, der muss operiert werden. Schmerzhaft, ja. Aber wenn er raus ist, ist es gut. Dann wird alles gut.
...die Zeit heilt alle Wunden...
Dem stimme ich nicht zu!
Dem stimme ich nicht zu!
Die Wunden bleiben.
Mit der Zeit schützt die Seele den gesunden Verstand
und bedeckt ihn mit Narbengewebe
und der Schmerz lässt nach.
und bedeckt ihn mit Narbengewebe
und der Schmerz lässt nach.
Aber er verschwindet nie.
- Rose Kennedy -
- Rose Kennedy -
Ich höre diese Musik über Kopfhörer, während ich hier schreibe und während er surft und nichts hört. Er greift in genau dem Moment nach meiner Hand, als es heißt "...I'll be the one if you want me too."
Ich lächle glücklich und meine Augen füllen sich mit Tränen.
5 Kommentare:
Ach Helma, "wat raus muss, muss raus" sagt man bei uns. Das mit dem "es gut sein lassen" ist so eine Sache - das geht erst dann, wenn es nicht mehr hochkocht. Und solange es hochkocht, will es wohl gesehen werden. Meine Erfahrung zeigt immer wieder, wenn ich es zulasse, kann ich es viel besser loslassen als wenn ich es nur zudeckeln würde. Dann kommts nämlich irgendwann mit einer Wucht, die nicht mehr so gesund ist.
Ich hoffe, Dir gehts besser :)
Liebe Clara, das ist es, was ich am Bloggen so liebe: Man macht sich Gedanken, dreht sich im Kreis - und dann kommt jemand und bringt es auf den Punkt..
Ich könnte echt weinen - vor Erleichterung.
Lieben Dank für Deine Worte.
Denn niemand, absolut niemand kann sagen, wie lange etwas "hochkochen" kann, darf und muss. Denn auch ich denke: Solange es hochkocht, ist es zugedeckelt, aber eben nicht verarbeitet.
Ganz egal, ob uns der Schmerz zugefügt wurde oder wir derjenige waren, der Schmerz verursacht hat. Oder beides zusammen :(
Und ja, was Kopf, Magen und Darm betrifft, gehts schon wieder etwas besser. Vermutlich auch, weil ich grad mit was anderem beschäftigt bin. Eins lenkt das andere ab ;)
Na, dann weiterhin gute Besserung :)
Dein Zahnarzt hat sich dann eine Extraprämie verdient, wenn einer deiner Backenzähne 6 Wurzeln hat. 4 sind schon viel, die meisten begnügen sich mit 3 - doch du meinst, doppelt hält besser.
Aber ansonsten hast du recht - was raus muss, muss raus. Wat mutt, dat mutt!
Ich nehme an, es werden Erschwerniszuschläge berechnet ;)
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