Montag, 2. Februar 2015

Travel Where You Live


Dieses Video fand ich übrigens bei einem Bekannten auf dessen FB-Seite - und beim Anschauen überkamen mich - klar - Sehnsucht und aber auch Gänsehaut (vermutlich wegen der Sehnsucht).
Die, die mich kennen, wissen ja, dass ich viele Jahre in Sachsen gelebt habe, dass ich meine Söhne dort zur Welt brachte und wenn ich heute, einige Monate nach meinem Weggang an Sachsen denke, verbinde ich das natürlich automatisch mit der Sehnsucht nach meinen Söhnen.
Aber das ist nicht das einzige.
Als ich vor über 25 Jahren nach Sachsen zog, fiel es mir unglaublich schwer, mich dort einzugewöhnen. Die Leute begegneten mir sehr offen, sehr aufgeschlossen - aber falsch. So war mein Eindruck. Sie zeigten sich sehr gastgeberfreundlich, aber sie zeigten nicht, was sie wirklich dachten.
Für mich als nordisches Urgestein war das damals schwierig: Wenn ich jemanden mag, bin ich herzlich und aufgeschlossen; wenn ich jemanden nicht mag, bin ich höflich, aber distanziert.
Sicherlich hat zu dem über mehrere Jahre dauernden Eingewöhnungsprozess auch "beigetragen", dass ich in einer Ehe lebte, die nichts duldete, keine "Freiheit", keine "Aufgeschlossenheit", keinen Schritt ohne den anderen. (Und nein, ich gebe daran nicht allein meinem Ex-Mann die Schuld. Ich war unfähig, mich durchzusetzen, aber das gehört jetzt hier nicht her.)
Entdeckt habe ich die Stadt, in der ich wohnte, im Grunde genommen erst kurz vor der Trennung von meinem Ex-Mann und vor allem in den Jahren danach. Und ich habe begonnen, diese Stadt zu lieben. Ich habe es geliebt, mehr und mehr zu entdecken, Stück für Stück. Immer öfter habe ich mich gefragt, warum nur der Urlaub "zählt", den man außerhalb Deutschlands verbracht hat. Je mehr ich hier entdeckte, desto mehr verliebte ich mich in diesen Flecken Erde.
Und heute sah ich dazu das Video.
Was soll ich sagen... Spontan überkam mich Gänsehaut, ich erkannte das eine oder andere wieder, vor allem aber erwachte in mir wieder die Sehnsucht. Nach den Kindern, nach dem Sommer in der Stadt, nach dem Eisessen vor dem Eiscafe (dieses eine Besondere, das es leider nicht mehr gibt), dem Beinebaumeln in der Sonne, dem gelungenen Mix aus Altbau und Neubau, nach dem Blick von der Terrasse am Elbufer mit einem Glas Kaffee in der Hand und einem wunderbar leckeren Himbeerschnittchen vor mir und.. und.. und..
Wenn ich an Sachsen denke, denke ich zuerst an all diese Dinge.
Und ich finde Aussagen sehr, sehr schade, die Sachsen zuerst mit Pegida, Legida oder all diesem Scheiß in Verbindung bringen. Oder mit dem Dialekt, an den ich mich zugegebenermaßen auch erst gewöhnen musste. (Heute spreche ich aus Spaß manchmal so. Als ich vor gut acht Wochen hier in M an einer Bushaltestelle stand und mit einer Freundin telefonierte, die auch in M lebt, aber von Sachsen stammt, da unterhielten wir uns ganz übertrieben in diesem Dialekt und der Typ neben mir nahm irgendwann die Musikstöpsel aus seinen Ohren, musterte mich von oben bis unten und ging dann - Tatsache! - drei Schritte weiter weg von mir. Was haben wir zwei Mädels uns DA amüsiert!!)
Doch mal zurück zum Thema: Natürlich ist es etwas Wunderbares, dass der Mensch sich heute in den Flieger setzen und die Welt bereisen kann - wenn er das möchte. Ferne Länder sehen und Kulturen entdecken... Wenn ich an die erste Individual-Indienreise denke, die der Liebste unternahm - und wie "geerdet" er schien, als er zurückkehrte... Mit den Worten "Wenn man das alles mal erlebt hat, weiß man erst mal zu schätzen, wie gut es uns hier geht."
Ich bin aber genauso dafür, die Schätze, die wir hier vor der eigenen Haustür haben, genauso zu entdecken, zu bereisen. Das Großartige liegt nicht nur im Fernen, Fremden. Manchmal hat mans direkt vor der Nase - und siehts nicht mehr...

7 Kommentare:

Septemberwelle hat gesagt…

Einen wunderbarer Beitrag, ich kann ihm nur voll und ganz zustimmen.
So viele Menschen in meiner Umgebung kennen die wunderschönen Ecken in ihrer Umgebung nicht, haben in weite Teile Deutschlands noch nie einen Fuß gesetzt... so schade.

Liebe Grüße von einer Sächsin mit mecklenburgischem Ehemann ;-)

Hendrikje

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Hendrijke, siehste, ich hatte es damals genau umgekehrt gemacht: Die Mecklenburgerin nahm sich einen Sachsen :) Das ist übrigens heute immer noch so - nur ein anderer Sachse, der auch von dort weggegangen ist.

lautleise hat gesagt…

Ein wunderbares Video!
Liebe Helma,
ja, die Umgebung mit den Augen eines Urlaubers wahrnehmen, das machen wir ganz oft!!!
Und freuen uns wie Bolle, dass wir in so einer schönen Ecke vom Westerwald gelandet sind, das Siebengebirge vor Augen und nur 85 KIlometer bis nach Köln...
LG - Wolf

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Siehst Du, Wolf, den Westerwald kenn ich nun noch gar nicht und vom Siebengebirge hab ich bis jetzt auch nur im Atlas gelesen :)
Ich sachs ja: Es gibt auch hierzulande viel Schönes, das man gar nicht kennt!

Anonym hat gesagt…

Da hast du vollkommen Recht, liebe Helma.
Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Das kommt aber daher, weil man sich daran gewöhnt hat. Man weiß wie alles aussieht wenn man aus dem Fenster schaut, bzw in die Umgebung oder die Stadtmitte kommt. Kennt jeden Laden, jede Fassade - und sieht sie nicht mehr.

Ich wurde daran erinnert wie schön meine Stadt ist, als wir Besuch aus der Schweiz hatten.
Wir fuhren mit ihnen in die Innenstadt und die beiden fotografierten wie die Japaner. Jedes historische Haus, jeden Brunnen, jede Ecke, die uns doch so vertraut war und an der wir hunderte Male dran vorbei gelaufen sind. Da erst schaute ich mal wieder nach oben, schaute in die Richtung, die die beiden fotografierten. Und sah das Schöne!
Du musst wissen, einige Wochen vorher hatten wir sie in ihrer Schweiz besucht, sie wohnen im Heidiland (das heißt wirklich so) und du kannst dir vorstellen, wie ich dort fotografiert habe! Genauso, wie die beiden bei uns und ich sagte ihnen vorher noch, dass wir ihnen nicht so viel zu bieten hätten. HA! Weit gefehlt! Sie waren begeistrt und fuhren noch in andere Städte meiner Umgebung, um sich umzuschauen.

Die letzten Sätze in dem Video gefallen mir sehr gut, hab sie mir auch gleich notiert:
Und jetzt raus hier! Das Abenteuer liegt vor deiner Haustür. Solange du lebst.


Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Suse, hach, das klingt immer alles so positiv, wie Du schreibst - ich freu mich da echt jedesmal drüber. Natürlich scheint uns allen nicht jeden Tag die Sonne aus dem Allerwertesten - aber wie schon mal jemand sagte, den ich sehr mag: "Wende dich den Menschen zu, die dir guttun!" So, jetzt haste mich an der Backe, Frollein :)
Und ja: Oftmals bemerkt man erst wieder durch die Augen eines anderen, was man an Schönem bereits hat.
Das ist irgendwie bei allen Dingen im Leben so. Und immer wieder werde ich an die Worte meiner Schmerzärztin erinnert: "Der Mensch focussiert sich immer auf das, was er nicht hat, immer auf das Negative in seinem Leben."
Das finde ich sehr, sehr schade.
Es gibt trotz allem noch so vieles Schönes, man muss nur mal die Augen aufmachen...

Anonym hat gesagt…

Da hast du vollkommen Recht, mein Helmalein :) ;)

Augen aufmachen. Und gucken natürlich.

Ich erinnere sehr gerne meine Mitmenschen an das Schöne, das sie haben, wenn sie mal wieder rumnörgeln und stöhnen, weil sie Husten haben oder sonst irgendwas schief gelaufen ist.
Das ist doch meine Mission, lachhhh :)

Jep, jetzt hab ich dich wohl an der Backe. Hach. ;)