Montag, 23. Februar 2015

Was wäre, wenn?

Dieser Tage las ich in einem Blog die Frage "Wenn du auf ein Organ/ Körperteil verzichten müsstest, um weiterleben zu dürfen - was wäre das dann und warum?"
Jetzt wäre das vielleicht eine Frage, über die man nachts im Gras liegend mit Freunden oder dem Liebsten und einer Flasche Weißwein philosophieren könnte - oder es wäre ein Thema, bei der im Hinterkopf ein Fragezeichen aufblinkt, ob man (zu) gelangweilt ist vom Leben, weils einem vielleicht (zu) gut geht?
Vor einiger Zeit bekam ich mal eine Blogempfehlung "Arbeit und Struktur", ein Ausriss des Lebens vom Schriftsteller Wolfgang Herrndorf. Bis zu dieser Blogempfehlung kannte ich seinen Namen nicht, ich kenne auch seine Bücher nicht. Ich habe zum Zeitpunkt der Blogempfehlung manche Nächte gelesen, zuletzt gestern Abend. Eine für mich doch sehr erschütternde "Dokumentation" des Lebens mit einem Hirntumor - und der Entscheidung eines Tages, diesem Leben 3 Jahre nach der Diagnose ein Ende zu setzen.
Am nachhaltigsten ist unter anderem der Abschnitt "Jana" für mich gewesen, seine Gedanken, seine Empfindungen, die dann auch an anderer Stelle, kurz vor dem Ende, noch mal auftauchen.
Vor allem jedoch der Abschnitt, "sein letztes Kapitel", wenn ich das mal so formulieren darf, mit dem immer deutlicher wird, wie stetig der Krebs sich in seinem Kopf ausbreitete und wie ebenso stetig ihm dies die Möglichkeit der Sprache nahm. Die Sprache. Ihm. Einem Schriftsteller. Selbst seinen Blog konnte er schlussendlich nur noch mit der Hilfe seiner Freunde führen.
Und gestern Abend dachte ich so bei mir... Was würden Menschen zur oben zitierten Frage sagen? Wie würden sie sie empfinden? Was würden sie dabei denken, fühlen?
Ob sie sagen würden: "Nehmt mir einen Fuß weg, wenn ich dafür überleben darf"?
Oder würden sie sagen: "Junge, Mensch, sei froh, dass du dir um sowas keine Gedanken machen musst, denn wenns drauf ankommt, wirst du sowieso nicht gefragt"?
Ist sie da wieder, die Frage nach dem Genießen des Augenblicks? Der Dankbarkeit für das, was man hat? Die Frage, wie leichtfertig man mitunter etwas beantwortet - und im entscheidenden Moment feststellt, dass man es ja doch einfach gar nicht kann? Wie sehr man sich an das, was man hat, gewöhnt - und es unglaublich vermisst, sobald es nicht mehr da ist? So sehr, wie man es zuvor gar nicht angenommen hätte?
Wenn man mich fragt: Ich möchte nichts von mir hergeben müssen. Ich möchte mich behalten dürfen, so wie ich bin, so lange es möglich ist. Ich möchte vollständig sein dürfen, so lange es irgendwie möglich ist. Weil mir alles an mir lieb & teuer ist.
Mir ist übrigens vollkommen bewusst, dass ich diese Frage noch vor zehn Jahren vermutlich anders beantwortet hätte.


12 Kommentare:

lautleise hat gesagt…

Diese Frage stelle ich mir anders:
Was würde ich geben, damit die Liebste oder die Töchter weiterleben könnten?
Alles. Bis auf mein Herz - denn ich möchte doch weiterleben dürfen...

LG - Wolf

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Genau DIE Frage, lieber Wolf, habe ich hier bewusst vermieden: Weil ich sie nicht beantworten kann.
Was ist, wenn es gerade das Herz ist?
Kann ich überleben, wenn ich es nicht mache - und dafür mein Kind begraben muss? Der Gedanke bringt mich um, und aus diesem Grund habe ich ihn hier in den Post nicht mit reingenommen.

lautleise hat gesagt…

Nun, zum Glück stellt sich diese Frage nicht, und es ist zwingender Bestandteil der ärztlichen Ethik:
Man darf keine Tötung billigend in Kauf nehmen, um das Leben eines anderen Menschen zu retten.

Das ist auch gut so!

LG - Wolf

Goldi hat gesagt…

Das Layout ist irgendwie schöner :-*

Was ich geben würde? Ich weiß es nicht, ich habe in den letzten Wochen gelernt wie wichtig mir meine Selbständigkeit ist, wie sehr ich darunter leide nicht mobil zu sein und bei Kleinigkeiten um Hilfe bitten zu müssen. Die Augen? Ich bin schon auf einem Auge fast blind, nein nicht mehr sehen wäre genauso der Horror, wie nicht mehr schreiben, sprechen oder hören zu können. Letztlich kann man es nicht entscheiden und muss nehmen was kommt -dann wird man sich auch damit abfinden/arrangieren.

Der Gedanke was man für die Liebsten Menschen geben würde, tja, hatte ich, aber meine Angebote wurden nicht erhöhrt also glaube ich auch nicht daran das man tauschen kann.

~ Clara P. ~ hat gesagt…

Nichts. Ich will nichts von mir hergeben "müssen". Ich möchte niemals in diese Lage kommen und wünschte, auch niemand sonst müsste sowas erleben. Hab den Blog mal grad ansatzweise gelesen, aber das geht mir zu nah. Seien wir einfach froh, dass wir uns diese Frage nicht stellen müssen.

Liebe Grüsse

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Lieber Wolf, ja, so sehe ich das auch.

Liebe Goldi, ich hatte in zwei, drei Kommentaren den Hinweis bekommen, dass sich mit dem neuen Layout der Blog zu langsam laden lässt und auch das Kommentieren schwieriger wurde. Warum, weiß ich gar nicht; ich hatte es auch übers Handy mal getestet und da gings eigentlich wie immer.
Dennoch hatte ich in den vergangenen Tagen bisschen rumprobiert, bis ich ein ähnliches fand wie das vorherige - aber auch ich empfinde das aktuelle als angenehmer :)

Eben das war auch mein Fazit: Letztendlich kann man es nicht entscheiden - man muss es nehmen, wie es kommt, und bis dahin möchte ich ICH sein dürfen, mit allem, das ich habe und mitbrachte, auch am und im Körper. (Alles ist ja auch nicht mehr da.)

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Clara, genauso sehe ich es auch. Haargenauso.

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Für eine andere Person (Kinder, Freund) würde ich wahrscheinlich mehr opfern als für mich - doch im Endeffekt sind es ähnliche Sachen, die man ohne große Probleme auch für sich selbst "opfern" könnte. Man kann ohne Probleme ohne Mandeln und ohne Wurmfortsatz leben, auch mit einer Niere geht es, mit einem Ohr habe ich Erfahrungen, ein Auge würde mir mehr fehlen.
Aber das meine ich, ist alles mit der Frage nicht gemeint - sondern etwas opfern, was dringend notwendig ist zum selbstbestimmten Leben - und dazu zählen für mich unbedingt die Gliedmaßen.
Ich finde mit deinem Layout alles in Ordnung.
Liebe Grüße zu dir

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Clara H. :) - ich bin da genauso: Für die, an denen mein Herz hängt, würde ich immer mehr opfern als für mich. Geht ja schon damit los, dass mir nach über einer Woche Quälerei mit Husten (trotz aller möglicher Haus-Medis) erst kurz vor der Reise nach L die Aufforderung nahgelegt werden muss, mich dem Doc wenigstens mal vorzustellen. (Ich hab seit letzter Woche Donnerstag nachts kaum noch geschlafen, weil ich ständig husten muss. Campiere nachts inzwischen auf dem Sofa.) Ginge es meinen Kindern oder dem Liebsten oder meiner Familie wie mir aktuell, hätte ich denen längst Beine gemacht :)
Zu meinem selbstbestimmten Leben zähle ich die Gliedmaßen, aber auch alle Sinne: fühlen, schmecken, riechen, hören, sehen..

Anonym hat gesagt…

Die Frage nach der Aufopferung für Andere lasse ich mal raus ... ob und was ich opfern würde, kann ich nur in der Situation selbst entscheiden. Und dann vermutlich ganz anders als vorher gedacht.

Für mich entscheide ich in Abhängigkeit von meinem Lebensalter, meiner Lebenssituation und der vermuteten Situation "danach". Jetzt würde ich alles geben, was mir danach noch ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Mit ... sagen wir mal ... 75 würde ich auch darüber nachdenken, ob sich der Aufwand noch lohnt. Ich finde nämlich nicht, dass Lebenszeit ad ultimo verlängert werden sollte.

lautleise hat gesagt…

Mit 75 denkst Du dann ganz anders darüber.
Jede Wette!!!

LG - Wolf

Anonym hat gesagt…

boah Helma! Was für schwere Kost.....

Für meine Familie würd ich alles hergeben, das steht außer Frage.
Und für Fremde?

Oh neee..... das will ich hier und jetzt nicht überlegen, Helma.

Boah... und jetzt mach ich die Mukke bis zum Anschlag an und nehme meine Kinder in den Arm!!