Sonntag, 10. Juni 2018

"Mein Herz in zwei Welten"

Als ich diesen Buchtitel las, ein weiteres Geschenk dieser Tage, da war ich zunächst überrascht, dass überhaupt ein dritter Teil zu dieser Geschichte herausgegeben worden war. Schon im ersten Teil - "Ein ganzes halbes Jahr" - dachte ich: Ich finde mich selbst in jeder Zeile wieder.
Der zweite Gedanke war, dass dieser Buchtitel irgendwie auch mich beschreibt... "Mein Herz in zwei Welten"... weil ich hier lebe, am Fuße des Berges, und nicht am Meer, für das mein Herz eigentlich schlägt..

Wieder zurück von Innsbruck, von wundervollen entspannten drei Tagen, die mich daran erinnerten, wie schön es ist, seinen Geburtstag irgendwo an einem Ort seiner Wahl, jedoch nicht daheim zu verbringen..

An denen ich es genossen habe, in Straßencafes leckere Sahne vom Kuchen des Mannes zu naschen ("Warte, ich koste mal, ob die noch gut ist... hmm... Moment, ich bin nicht sicher, lass mich noch mal" und er zunächst sein Stück Kuchen versteckte, bevor er versuchte, mit seiner Gabel mein Stück zu klauen - seht Euch nur den Kuchendeckel an, wie tapfer ich seine zahlreichen Diebstahlversuche abwehren konnte ;))..

Kein Stress mit Kochen, Backen für andere, sondern nur man selbst und das, worauf man selber Lust hat. Alles können, nichts müssen...




morgens nach dem Erwachen
aus dem Lesestuhl auf der Terrasse
           
..wo die Tage heiß und die Nächte lau waren, das Gewitter sich täglich über den Kämmen zusammenzuziehen versuchte und dann doch unverrichteter Dinge wieder abzog..
(Unser Zimmer war eines der wenigen, die eine kleine Terrasse besitzen - und ich muss sicherlich nicht extra hinzufügen, wie unendlich ich den Sektabend dort oben genoss, während etwa fünf, sechs Fenster weiter ein Mann sich am weit geöffneten Fenster eisern auf dem Laufband quälte. Ich habe für ihn ein Glas mitgetrunken!)


..wo der Milchkaffee herrlich lecker, aber auch ziemlich stark ist und von wirklich freundlichem, höflichem Personal angeboten und gereicht wird ("Wenn Sie auch etwas essen wollen, muss ich Sie darauf hinweisen, dass die Küche erst 18 Uhr öffnet. Der Koch ist aber meist eine Viertelstunde eher da, Sie sind dann gleich die ersten, die bedient werden." - und sie haben auch Wort gehalten ;))
Überhaupt war das Essen in Österreich wunderbar lecker. Ich bin ja eh nicht so ein Freak, der ins beste und nobelste oder angesagteste Lokal der Stadt muss - für mich machte es das Stück Rhabarberkuchen von einem Marktstand am Inn, lümmelnd im Liegestuhl, eine Tasse Kaffee dazu - und ich sag Euch, ich hab jeden einzelnen Bissen aber sowas von genossen!
"Der Kuchen ist von dem Bauernstand dort", zeigte der Mann, "die mit dem selbst gemachten Joghurt im Glas."
Darauf konnte ich gar nicht antworten, weil ich die Augen geschlossen hatte, um mir jedes einzelne Gabelstück buchstäblich auf der Zunge zergehen zu lassen.

Blick von unserer Hotelterrasse aus

Ich wurde gefragt, ob ich denn bei dem Anblick gar kein Herzklopfen bekäme oder
wenigstens die Lust, da raufzukraxeln.
Ich und kraxeln!
Pfff.
Krixeln, ja das kann ich. Deshalb ja auch die Staffelei :)

                       

Mein allererster Besuch in Innsbruck - aus Zeitgründen, da nur einmal die Woche donnerstags geöffnet - galt dem Anatomiemuseum. Der Mann kann diese meine Faszination so überhaupt nicht nachvollziehen, er wäre auch lieber gern draußen vor der Tür geblieben. Offenbar aber tat ich ihm dann doch leid, weil ich die einzige Besucherin war, ohne Führung, ganz allein zwischen toten Menschen und Teilen von ihnen.
"Ich werde Alpträume davon kriegen", seufzte er.
"Ich rechne es dir wahnsinnig hoch an, dass du mitkommst."
Die meisten Exponate, übrigens fast alles "einheimische" aus der anliegenden Universitätsklinik, waren beschriftet, manche auch nicht.
"Was soll das hier sein? Sieht aber komisch aus."
"Vielleicht die Stimmlippen?" überlegte ich. "Sehen die nicht auch so aus?"
Vier Gläschen weiter begriffen wir: Das waren Augenlider. Ober- und Unterlider, nur ohne die Linse. Die gabs extra.
Ja. Doch. Das war schon irgendwie.. gruselig.
Draußen vor der Türe:
"Hast du eigentlich die Penisse gesehen?"
"Ja na freilich! Riesen-Dinger! Der arme Kerl. Wobei - ne! Die arme Frau! Waren die jetzt eigentlich normal groß oder schon erigiert?"
"Jetzt enttäuscht du mich aber. Na klar waren die aufgepumpt!"
"Was man heutzutage nicht alles aufpumpen kann... Penisse.. Lippen.. Brüste.. Das reinste Gruselkabinett, egal, ob lebendig oder tot."
Wir kicherten, bis wir das nächste Lokal erreichten: Ich muss sicherlich nicht hinzufügen, dass ich für den Rest des Tages nur noch Obst und Milchkaffee zu mir nehmen konnte. Nichts, das auch nur im entferntesten an etwas aus diesem Museum erinnerte ;)

Nun sind wir aber wieder zurück, sind wir wieder daheim, und während der Mann sich ein wenig schlafen legt, schlage ich mein neues Buch auf, lese die ersten Seiten und bekomme bereits auf Seite 28 mein erstes Herzklopfen...

"...Ich saß am Fenster, schaute ungefähr eine halbe Stunde auf die morgendliche Straße Manhattans hinaus, im Mund abwechselnd Bissen von dem schweren, buttrigen Muffin oder Schlucke des sengend heißen, starken Kaffees, und ließ meinem kreisenden inneren Monolog freien Lauf (Ich trinke New Yorker Kaffee in einem New Yorker Café! Ich gehe eine Straße in New York entlang! Wie Meg Ryan! Oder Diane Keaton! Ich bin im ECHTEN New York!), und für einen Moment verstand ich ganz genau, was mir Will zwei Jahre zuvor hatte erklären wollen; diese paar Minuten, den Mund voll mit ungewohntem Essen, den Blick auf unbekannte Dinge gerichtet, existierte nur ich in diesem Moment. Ich war vollkommen da, meine Sinne wach, mein ganzes Ich bereit, die neuen Erfahrungen aufzunehmen. Ich war am einzig richtigen Ort auf der Welt..."

Nun. Amerika ist nicht das Ziel meiner Träume. Aber darum gehts ja auch nicht...

                 

6 Kommentare:

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Ich freue mich wie dolle und verrückt für dich, dass du drei solche schönen Tage hattest, wo der Kaffee nichts zu wünschen übrig ließ.
Hat doch gut angefangen, das neue Jahr. Weiter so!

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ach Clara, es war wirklich schön und wunderbar entspannt und ich weiß grad gar nicht, ob es arg vermessen wäre, mir zu wünschen, dass es mal so weiterginge...

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Wir wollen nicht unverschämt sein: Nicht für alle 365 Tage im Jahr kann das so weiter gehen, ich schlage so 350 oder wenigstens 340 vor. Einverstanden?
Bei mir gibt es mal wieder Shitstorm an dem ich mich so unschuldig fühle wie ein neugeborenes Kind.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Shitstorm?? Hatte erst heut Morgen bei Dir gelesen- da war noch alles gut? Ich komm mal rüber zu Dir.

gretel hat gesagt…

Ein tolles neues Lebensjahr wünsche ich dir. Mit so wenig Schmerz wie nur möglich und zwar physisch wie psychisch.
Schön, dass du solche eine entspannte und gelungene Geburtstagsüberraschung hattest.
Lieben Gruß
PS Die schwarze "kahloische Bauernbluse" musste ich mir auch kaufen :-)

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Vielen lieben herzlichen Dank, Gretel :) Kahloische Bauernbluse? Als ich das las, dachte ich: Ja! Eigentlich stimmt das sogar - auch wenn mir diese Bauernbluse bis zu den Knien reicht ;) Aber ich dachte daran... Warte mal, ich glaub, ich mach da einen Blogpost draus :)