Sonntag, 22. Juli 2018

Sag mir, wie muss es sich anfühlen?



Heute Morgen sah ich das veränderte Profilbild meines Jüngsten (ja, ich darf eins seiner Bilder zeigen, ich habe natürlich vorher gefragt ;)) und musste schmunzeln: "Das gibt einen Aufschrei in deinem Fanclub" schrieb ich und er antwortete mit einem Grinsesmiley.
Nach gut einem Jahr Beziehung hat er sich nun also positioniert und es "öffentlich" gemacht.
Er, der mich früher hin und wieder gefragt hatte: "Wie muss sie denn sein, die Liebe? Wie muss es sich anfühlen, damit ich weiß, dass es die Richtige ist?"

Ja.. Wie muss es sich denn anfühlen?
Wann weiß man, dass man dem einen Menschen begegnet ist, ohne den es am Ende auch geht - mit dem aber alles so viel wundervoller ist?

Hätte man mich dies vor 17 Jahren gefragt, so hätte ich diese Frage nicht beantworten können. Eine Tatsache, die für mich umso schwerer wiegt, wenn ich daran denke, dass ich zu diesem Zeitpunkt verheiratet war und zwei Kinder auf diese Welt gebracht hatte. Eine Tatsache auch, die für mich doppelt schwer wiegt, wenn ich daran denke, dass die Ehe nicht durch Liebe geprägt und das Ja-Wort auch nicht aus der unbedingten Liebe zueinander heraus ausgesprochen worden war. Ich habe Ja gesagt in dem Vertrauen darauf, dass es gut und richtig war - oder es gut und richtig werden würde, eines Tages.
Das wurde es jedoch nicht, es wurde mit den Jahren immer schwieriger, umso mehr, je mehr ich begann, über die Ehe, das Leben und überhaupt nachzudenken. Immer öfter ertappte ich mich bei dem Gedanken: "Ist es das jetzt gewesen? Ist es so, das Leben? Ist sie so, die Liebe? Ist das überhaupt Liebe? Ist es nicht eher Besitzdenken? Besitzanspruch? Gewohnheit? Und die Furcht vor der finanziellen Konsquenz?" Über die Jahre hinweg entwickelte ich nicht nur eine gewisse Furcht vor dem Mann, ich entwickelte aber zugleich auch eine gewisse Müdigkeit: Jeder Tag aneinandergereiht wie an einer Perlenschnur, kein Raum für Entwicklung, kein Raum.. für die Liebe. Irgendwann bin ich morgens erwacht und wusste, wie jeder einzelne Tag dieses Lebens werden würde. Jeder Montag, Dienstag, Freitag. Tag für Tag, Woche um Woche, Jahr für Jahr. Ich war gerade dreißig Jahre alt geworden und dachte: "Es wird mindestens die nächsten dreißig Jahre ganz genauso weitergehen."
Ich fühlte mich zu jung dafür, für nichts gut genug zu sein.
Ich fühlte mich zu jung dafür, in Panik zu geraten, wenn mir etwas misslang, und seien es nur diese scheiß blöden Kohlrouladen.
Ich fühlte mich zu jung dafür, ein Leben ohne diese eine Liebe zu verbringen, von der ich nicht mal wusste, wie sie überhaupt sein sollte.
Sie überraschte mich etwa ein Jahr später - und sie überraschte mich umso mehr, als dass ich weder danach gesucht noch darauf gewartet hätte. Sie ist mir passiert - und danach wusste ich: Es gibt kein Zurück mehr. Ich kann nicht mehr zurück, ich will auch nicht mehr zurück. Lieber möchte ich allein leben als in dem Leben zuvor.
Und ich hatte Angst. Ich schwörs, ich hatte echt richtig Angst vor dem, was kommen sollte. Vor einem Morgen ohne die Sicherheit einer Familie. Vor einem Leben, in dem alles nur noch an mir lag. In dem es darauf ankam, ob ich die richtigen Entscheidungen traf. Ob ich allein überleben konnte. All das hatte ich nie zuvor kennen gelernt, ich hab es nie zuvor erfahren. Jedoch die Angst, in das Leben zuvor zurückkehren zu müssen, wieder so leben zu müssen, als sei mir diese eine Liebe nie passiert, war noch größer. Also habe ich mir ein Herz gefasst und bin losgegangen. Wohnung gesucht, Mietvertrag unterschrieben, ausgezogen. Und was hat mir das Herz geklopft, damals in meinem neuen Lebensraum, nur die Musikanlage, das Sofa einer Freundin und das übergroße Bild mit dem übergroßen Herz auf dem Holzfußboden - und ich saß davor, ich starrte auf dieses Bild, ich spürte den Herzschlag bis hinauf in den Hals - und ich spürte... MICH!
Ich habe mich noch immer gefragt, ob ich das alles tun durfte - denn wir hatten doch die Kinder und wir haben diese Verantwortung. Zugleich sagte ich mir aber auch: Wir haben die Verantwortung dafür, dass es den Kindern gut geht und sie glücklich sind. Sie sind nicht glücklich damit, wenn man ihnen alles kauft, das sie sich wünschen. Oder ob sie Markenklamotten tragen oder solchen Kram. Sie sind glücklich, wenn sie geliebt werden und man an sie glaubt. Sie sind glücklich, wenn es ihre Eltern sind. Und du kannst niemanden glücklich machen, wenn du es selber nicht bist.
Ich hatte mir nicht ausgerechnet, ob ich alles allein bezahlen konnte - und vielleicht war das auch besser so? Geld habe ich nie welches vom Ex-Mann genommen oder bekommen, ich habe nur bezahlt die ersten Jahre. Preisgeld, wenn man so will. Aber das war es mir sowas von wert.

Die ersten Monate waren schwer. Die waren richtig scheiß schwer. Und mittendrin in all diesem Chaos begegnet Dir irgendwann ein Mensch, nach dem Du zwar irgendwie gesucht, aber auf den Du irgendwie zugleich trotzdem nicht gewartet hast. Bei dem Du an nichts mehr davon denkst. Der all die unschöne Vergangenheit von Dir abfallen lässt, als sei sie so gar nicht da gewesen. Dem Du in die Augen schaust und das Gefühl hast, Du würdest gleich ganz tief hinunter in seine Seele schauen.
Der Dir nur einen Kuss auf die Wange gibt und schon beginnt es tief in Dir zu vibrieren. Du sitzt ein paar Stunden neben ihm, Du hörst auf den Klang seiner Stimme, die Dir vom Ohr in den Bauch und von dort direkt in die Knie geht. Du hörst auf das, was er Dir erzählt - und alles, woran Du selber denken kannst, ist die Frage: "Wann küssen wir uns endlich?" Du erlebst diese eine wundervolle Zärtlichkeit, diese wunderbare Sehnsucht nacheinander, zärtliche, leise Worte am Telefon, die sich in das Unendliche steigern.. Du erlebst diese allumfassenden Gedanken an den anderen, die Dich so erfüllen bei all dem, das Du tust - und sei es das schnöde Bedienen der Kaffeemaschine.
Alles macht auf einmal wieder Spaß. Alles fühlt sich mit einem Mal wieder so wunderbar leicht an.
Du singst schon frühmorgens auf dem Weg in das Büro.
Du singst abends, wenn Du das Essen für die Kinder zubereitest, Ordnung in der Wohnung schaffst, die Waschmaschine im Badezimmer leise vor sich hin rumort. Alltag? Was ist noch mal Alltag?
Du erlebst diese eine Leidenschaft, die Dir den Atem nimmt und Dich Dinge tun lässt, um die man Dich nicht bitten oder auffordern muss, was Du sowieso für Dich ablehnst, aber jetzt tust Du Dinge, die Du bis hierher gar nicht kanntest - weil er in Dir dieses Verlangen und die Neugier weckt, es ausprobieren zu wollen...
Nachts liegst Du ganz nah bei ihm, Du lauscht auf das ruhige, entspannte Atmen und legst Deinen Kopf an seinen Rücken.. An Deinem Ohr spürst Du seinen kraftvollen Herzschlag.. Und in genau diesem Moment begreifst Du die Endlichkeit des Seins - und die Unendlichkeit des Liebens...

..einen Weg verfolge ich so lange, wie ich selbst daran glaube. Erst wenn ich damit aufgehört habe, ist es Zeit, einen neuen Weg zu gehen. Das ist man sich selbst und aber auch dem anderen schuldig.
Irgendwann, in vielleicht zwanzig, dreißig, hundert Jahren, möchte ich auf mein Leben zurückschauen, ich möchte dabei lächeln und mir sagen: DAS ist es, was ich mir für mein Leben gewünscht habe. Danke, dass ich es erlebt habe. Danke, dass ich es gefühlt habe. Danke, dass ich bis zum Schluss glücklich gewesen bin. Ganz egal, wo und mit wem.. Aber eben.. glücklich.

7 Kommentare:

Sanni hat gesagt…

Danke wieder für deine Gedanken...ich nehm dir jedes Wort ab und will für mich dasselbe.so geht und ist Leben

Bohli hat gesagt…

Dieses Gefühl das du beschreibst Helma durfte ich spüren, lauschen, schmecken und riechen. Und doch wurde mir erst zu spät klar das es nicht nur Lust sondern eben Liebe war. Das Herzklopfen an einem selbst, die Schmerzen wenn jemand fehlt und das ganze zittern am Körper wenn du Angst um jemanden hast.

Danke fürs umschreiben. Dir weiterhin viele Jahre dein Gefühl mit Herrn Blau.

Herr MiM hat gesagt…

Ein gutaussehender junger Mann.

Nelly aus Sachsen hat gesagt…

ein sehr hübscher Kerl, ein tolles Foto und Gänsehaut

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ja Sanni. Ich sage nicht alles, was ich denke. Aber das, was ich sage, meine ich auch so - bis man mich vom Gegenteil überzeugt ;)

Lieber Bohli, das ist eben.. das Schwierige: Zu erkennen, ist es Liebe oder Leidenschaft? Ist es Freundschaft oder Liebe? Im Idealfall kommen alle vier Dinge in einer Beziehung zusammen, aber zu oft habe ich das Gegenteil gesehen und erlebt: Freundschaft wird mit Liebe verwechselt, manchmal denkt man auch, man liebt nicht mehr, sei aber freundschaftlich immer noch tief verbunden. Schwierig.. vor allem dann, wenn man das Porzellan zerschlug und erst dann realisiert, dass es eben doch Liebe ist, immer noch.

Herr MiM, Nelly: Ja ich finde ihn auch cool ;) Auch wenn er ziemlich sehr wie sein Vater aussieht. "Wir sind uns nur optisch ähnlich", hat der Junge heute gelächelt und ich lächelte zurück: "Gott sei Dank! Sonst muss ich dich verhauen, jeden Tag ein bisschen." Haben wir beide gegrinst.

Hedera hat gesagt…

Zunächst einmal: wirklich ein hübsches Bild vom Sprößling...bytheway meine Tochter sieht meinem exex auch sehr ähnlich und manche seiner Macken hat sie natürlich definitiv von ihm...insofern ist sie ein lebenslanges Mahnmal an meine Blödheit aber sie ist anderseits ganz MEIN Kind und da seien ihr die Ähnlichkeiten mit einem lebensuntüchtigen Menschen verziehen, natürlich, weil sie gar nix dafür kann ;-)) Und ja, ich lese eigentlich immer bei dir! Und gerne!
Und deine Worte haben mich sehr berührt. Und sie haben mich paradoxerweise vielleicht, daran erinnert, wie ich tatsächlich vor vielen Jahren das eine mit dem anderen komplett verwechselt habe....oder verwechselt wurde.....die schlimmste Zeit meines ganzen Lebens, schlimmer als Ehe Nr. 1....aber Schwamm drüber......
Schön ist, jetzt im Leben zu stehen und sagen zu können: so will ich sein und so will ich leben!

gretel hat gesagt…

So ein schönes Foto.
Liebe Grüße