Nachdem ich meine Freundin endlich überreden konnte, sich ins Bettchen zu legen (als junge Mama braucht man schließlich seinen Schlaf, kenn ich alles noch, hab nix aus dieser Zeit vergessen ;)), da beendete ich den Chat mit ihr, nur um gleichzeitig den Power-Knopf an meinem Laptop auf On zu drücken. Ich weiß, dass ich nicht schlafen kann, wenn ich jetzt die Gedanken nicht herauslasse. Wahrscheinlich wird sie das morgen lesen und sagen "Scheiße, das wolltsch vlei ma wirklich nich" - aber hey, is nich Deine Schuld. Doch mit dem heutigen Chat über das Verhalten von Kindern in Grundschulklassen, das aus meiner Sicht bereits an Mobbing grenzt, wenn es das nicht gar schon ist, wurden Erinnerungen in mir wachgerufen. (Außerdem will ich nachher noch Medical Detectives schauen und muss gucken, dass ich wach bleibe ;))
Meine Mama sagt heute manchmal, ich wäre als Kind absolut pflegeleicht gewesen, ich hätte ihnen nie Schwierigkeiten gemacht und ihnen nie Sorgen bereitet. Alles wäre immer glatt verlaufen. Sorgen bereitete ihnen dafür der Große und der Letzte, so mein Empfinden, war der Familienliebling. Der mit dem unschlagbaren Mutterwitz, über den wir heute noch herrlich lachen können.
Und ich? Ich war das Sandwichkind. Ich war.. eben da.
Meine Mama sagt dann heute manchmal, ich hätte als Kind viele Freundinnen gehabt.
Genau genommen stimmt das so rum nicht. Ich hatte keine Freundin, mit der man against all odds zusammen war. Ich war immer mal mit jemandem befreundet, aber ich war auch viel alleine. Klassenfahrten habe ich gehasst, weil mit diesen so offenkundig wurde, dass man eben mit niemandem wirklich verbunden war. Weil man nicht im geschützten Zuhause war - und allein war. Es gab auch Zeiten, da war ich mit, ich war dabei, geduldet, aber unbeachtet. Wie man sich eben oft auch als Sandwichkind fühlt.
"Oh je", schreibt meine Freundin, "hat Dich das geschädigt?"
Ich muss nicht wirklich darüber nachdenken.
"Ja das waren keine schönen Jahre. Ich bin bis heute unsicher mit mir selbst. Nicht mehr so schlimm wie früher, aber es ist auch heute immer noch einfach, mich zu verunsichern."
Ich weiß, dass man mir das nicht zwingend anmerkt. Grad wenn es um andere geht, kann ich mich unglaublich stark machen. Kann ich auch unglaublich stark sein.
Aber wenn es um mich geht?
Ich würde nie, nie im Leben auf die Idee kommen, von mir aus einen Schritt auf einen anderen Menschen zuzugehen, den ich nicht kenne. In der Vergangenheit wurde mir das schon öfter als Arroganz ausgelegt, dabei liegt diese Zurückhaltung lediglich in der Furcht vor Zurückweisung begründet. Im Gegensatz zu anderen möchte ich gar nicht im Mittelpunkt stehen, im Gegenteil. Ich bin eher die, die das Geschehen am Rand betrachtet, Menschen beobachtet und dabei mit einem Strohhalm genüßlich beispielsweise den Hugo aus dem Glas saugt. Aber ich möchte beachtet werden. Nicht nur mit sein.
Menschen interessieren mich, sie faszinieren mich, aber sie erschrecken mich oft auch.
Für mich teilen sie sich nicht in Feind oder Freund, für mich zählt nur, ob ich im anderen einen Gleichklang finde, der meinen ergänzt oder zu mir passt. Heute lege ich keinen Wert mehr darauf, viele Menschen zu kennen, heute lege ich Wert darauf, dass Menschen mit mir sind, die mich sehen. Denen ich nichts beweisen muss. Denen ich genüge mit dem, das mich ausmacht.
"Meine Physiotherapeutin würde dir gefallen", habe ich letztens dem erstaunten Mann erzählt.
"Wie kommst du denn darauf?" hat er gefragt.
"Na.. Die ist Ende zwanzig, glaub ich, sehr sportlich, hat lange braune Haare, große braune Augen und einen Herzmund."
Er hat sich mir entgegengebeugt.
"Willst du mich loswerden?"
"Äh.. Ne?"
"Aber es ist alles in Ordnung? Oder verschweigst du mir was?"
"Äh.. Ne? Es ist alles in Ordnung."
"Gut." Er hat sich beruhigt zurückgelehnt und den Kopf geschüttelt. "Manchmal bist du komisch."
Es liegt sicherlich auch in unserer gemeinsamen Historie begründet, dass ich uns nicht wirklich über den Weg traue. Aber es liegt auch in der nicht gemeinsamen Historie begründet, dass ich mir bis heute nicht zutraue, jemand zu sein, von dem man sagt "Du bist alles, was ich will."
"Du bist aber alles, was ich will", sagt der Mann dann.
Bist du dir da sicher? Auch wenn ich Wandern scheiße finde und Berge kein Herzklopfen in mir auslösen? Auch wenn ich mich jedes Jahr neu weigere, deinen Oldtimer zu fahren, auch wenn du sagst "Du musst es lernen! Wenn wir damit in Italien sind und mir was passiert, musst du es können."
"Nö. Dann rufe ich jemanden an, der das kann."
Auch wenn bei uns du am Wochenende Frühstück machst, weil Ausschlafen bei mir nicht sieben Uhr fuffzehn bedeutet? Auch wenn du manchmal zweifelst, wer hier wen überlebt und du aber der erste sein willst, der geht, weil er es andersrum nicht ertragen könnte? Auch wenn ich oft unbekümmert Bauch-Entscheidungen treffe, die dich in den Wahnsinn treiben, weil du selbst alles ja ganz anders machen würdest? Auch wenn es dich grämt, dass ich nicht mit dir jogge, sondern mich lieber in der Badewanne aale?
"Auch dann!"
Dann lächel ich.
Und für einen Moment lang glaube ich ihm.
Hab grad gesehen: Medical Detectives startet heut um 0:55. Ja ne. Das ist ja noch ne Stunde hin. N Käffchen könnt ich jetzt noch vertragen, aber noch ne Stunde warten.. Ich glaub nicht.
2 Kommentare:
Hallo, auf "Neulinge" bzw. "Außenseiter-linge" wirkt ihr sehr gut zueinander passend - und wer mal später zuerst geht, entscheidet meist das Schicksal, es sei denn, man nimmt es selbst in die Hand und entschwindet um wenige Sekunden zeitversetzt gemeinsam aus dieser Welt.
Aber so weit ist es noch lange nicht.
Und tschüss sagt Clara
Ja wir haben uns zusammengerissen, da im Biergarten :D
Nein Schmarrn, klar, ich denke schon auch, dass das gut passt. Und Reibungspunkte muss es ja geben, sonst wirds langweilig ;)
Und nein, DAS nehmen wir nicht selbst in die Hand. Dafür leben wir beide viel zu gerne :)
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