Mittwoch, 2. Oktober 2019

Oktobergedanken

Da ist er nun, der goldene Oktober. Vor dem Fenster färben sich die Blätter gelb und rot, wahlweise vor grauem (heute) oder strahlend blauem (gestern) Himmel. Vor einigen Jahren noch liebte ich vor allem den Frühling, inzwischen bin ich längst Herbst-Fan. Wenn alles noch da ist an Blättern, und sich aber schon alles in goldene Farben hüllt, Kastanien, Eicheln, Ahornblätter aufgelesen werden können. In Kombination mit Vanillekerzen himmlisch :)

Auf einmal ist er da, der Herbst. Ein bisschen schon herbeigesehnt nach der Hitze des Sommers und der ewigen Frage: Wenn nackt noch zu warm ist, was ziehe ich dann an?
Und dann so gefühlt urplötzlich gekommen - und nun frag ich mich: Was ist los mit uns Menschen?
Schon zu Beginn des neuen Jahres hatte ich das Gefühl: Hm, das ist irgendwie anders als vor einem Jahr... Egal, wohin ich schaute oder hörte, überall fehlte ein wenig Leichtigkeit oder wenigstens das Ansinnen, nicht alles so ernst zu nehmen, auch nicht sich selbst.
Wenn ich jetzt so auf das Jahr zurückschau, frage ich mich immer noch: Wann hat es begonnen, dass der Mensch begann, so unzufrieden zu werden? Dass er an allem und jedem herumnörgelt, dass unbestritten wichtige Themen so aufgebauscht werden, dass es einer Hysterie gleichkommt?
Was ist wann mit uns passiert?

Die Welt hat sich in zwei Lager geteilt: Die Befürworter und die Gegner - und die Themen sind so verschiedenfarbig wie das Laub vor meinem Fenster.
Klima und Umwelt - ein nach wie vor wichtiges Thema, doch immer öfter kann ich mir den Gedanken nicht verkneifen "Leute, bitte lasst die Kirche im Dorf!"
Du darfst nur dafür sein, dagegen sowieso nicht, aber Du darfst auch nicht kritisch oder wenigstens nachdenklich Debatten und Veranstaltungen verfolgen und Dir dann noch Deine eigene Meinung bilden. Weil Du ja sowieso falsch liegst und immer noch nicht begriffen hast, dass es Fünf nach Zwölf ist. Und Du vielleicht hoffentlich längst in der Gruft gammelst, während draußen die Apokalypse tobt - und Deine Kinder oder etwaigen Enkel das zu spüren bekommen.
Wie gesagt. Lasst bitte die Kirche im Dorf. Und hinterfragt die eine oder andere Aussage bitte oder recherchiert. In Zeiten des Internets gibt es ausreichend einfache Möglichkeiten.
Das habe ich auch gestern jemandem auf FB geschrieben, als eine Debatte losgetreten wurde ob der möglichen Erhöhung von Krankenkassenbeiträgen.
Es gab nur zwei Fronten: Die eine schimpfte auf all die Nichtstuer aus dem Ausland, die sich hier nen goldenen Lenz machen und unsere Sozialkassen plündern - die andere erinnerte an die Wasserköpfe der Versicherungen. Wie viele Krankenkassen es gibt, weiß ich selber derzeit nicht, bin auch zu müde zu googeln; es sind aber in jedem Fall zuviele. Meiner Meinung nach jedenfalls. Was brauchen wir zwischen 100 und 200 Versicherungen? Der Marktwirtschaft wegen? Wozu brauchen wir dann zig gesetzliche Kassen? Auch der Marktwirtschaft wegen?
Egal. Im Abschlussbericht für 2018 meiner eigenen Kasse jedenfalls stand, dass nach Abzug aller Aufwendungen, Rücklagen  und Kosten ein Überschuss von ca. 40 Millionen Euro erwirtschaftet worden war. Und die Kasse zum 4. Mal in Folge ein derart erfolgreiches Jahr bilanzieren durfte.
Das schrieb ich dem Flüchtlingsgegner-Mob und fügte hinzu "Lesen und Rechnen können Sie?"
Natürlich gabs darauf keine Antwort, und manchmal frage ich mich selbst, warum ich mir das immer wieder antu.
Aber ich frage mich dann auch: Wenn meine Kasse wie so viele andere auch so gute Ergebnisse einfahren, wieso muss der Steuerzahler dann darauf eingestellt werden, dass die Beiträge steigen könnten?

Ich frage mich so einige Sachen, auch im Hinblick zum Beispiel auf den sinnlosen Plastikmüll, in dem wir gefühlt ersticken. Nicht nur wir. Auch das Meer. Mein geliebtes Meer. Weil der Mensch das größte Sauschwein aller Zeiten ist und bleibt - und seinen Dreck überall entsorgt, aber viel zu oft nicht da, wo er es sollte. Oder im Hinblick auf die Dieselproblematik. Jetzt kommt die CO2-Steuer und die Kfz-Versicherungen sollen sich in etwa verdoppeln. Der Sprit soll teurer werden. Früher haben wir gelacht, wenn wir hörten, dass die Grünen am liebsten 5 Mark für den Liter Sprit verlangen wollten. Inzwischen lachen wir längst nicht mehr. Aber ist das alles so gerechtfertigt?
Denen, die bevorzugt das Rad nutzen können, ist das egal. Denen kanns auch egal sein.
Kann ich erhöhte Kosten für das Fliegen akzeptieren, weil ich sowieso meist Auto oder Bahn fahre?
Kann ich erhöhte Kosten für das Autofahren nicht akzeptieren, weil ich davon abhängig bin - und die Belastung eh schon hoch genug ist? Ich seh das beispielsweise an Sohn I: Seitdem er wieder ein eigenes Kfz hat, um zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten den Dienst antreten zu können, ist sein finanzieller Spielraum auf genau genommen Null geschmolzen. Er hangelt sich von einem Monat zum anderen. Ich bewundere immer, wie er das schafft - aber es bleibt eine Belastung im Kopf: Was wird, wenn dies und jenes eintritt?
Klar, er hat mich - aber er will das gar nicht. Er will frei und unabhängig sein, von seinem Lohn seine eigenen Kosten tragen können - und trotzdem wenigstens ein bisschen Luft haben.
Ist das zuviel verlangt für einen Job von montags bis samstags und gerade mal eintausendeinhundert Krabben? Er ist sehr sparsam - aber oft auf Kosten seiner Gesundheit.
Wir sollten uns möglichst Bio ernähren, da kann er nur müde drüber lächeln. Man muss es auch bezahlen können. Egal, ob Bio nun wirklich auch immer Bio ist oder nicht.
In einer Stadt wie M halte ich das Autofahren für sinnlos. Die ÖPNV-Vernetzung ist so klasse ausgebaut - da braucht es kein Auto. Eigentlich. Aber würde ich das Autofahren hier in der Stadt verbieten wollen? Was ist mit denen, die nachts oder wenigstens spät zur Arbeit müssen oder von da kommen? Ich persönlich möchte nicht ein, zwei Stunden lang nachts irgendwo auf einen Bus oder eine Bahn warten müssen. Nicht nur, weil ich müde bin und nach Hause wollte. Vor allem auch, weil ich Angst hätte. Ich persönlich fahre auch nicht jeden Schritt mit dem Auto, weder hier in M noch in L. Tagsüber. Nachts, das gebe ich zu, wäre das was anderes, solange ich allein unterwegs wäre.
Kann ich also Menschen nur disziplinieren, indem ich ihnen immer mehr Geld abknöpfe?
Und jetzt noch CO2 besteuere, weil ich die Erzeugung und Abgabe begrenzen möchte?
Wie eigentlich? Indem ich Kreuzfahrtschiffe beispielsweise nicht verbiete, aber das Fahren so teuer mache, dass über kurz oder lang keiner mehr will? Oder nur noch die, denen die Preise sowieso egal waren?
Indem ich Dieselfahrzeuge verbiete und das E-Auto in den Fokus richte, obwohl die Herstellung und Entsorgung der Batterien immer noch genug Schadstoffe emittieren, es sei denn, ich fahr ein Kleinfahrzeug meinetwegen der Größe Twingo?
Indem ich das Fliegen teurer mache, damit Klein Erna aus Buxtehude nicht auch nach Mallorca fliegen kann, während die Bundesregierung bis zu 800 Leerflüge in einem Jahr (!) produziert? Obwohl sie das ganze Jahr drauf gespart hat und sich freut, doch mal was anderes sehen zu können als den alten kaputten Holzzaun vorm Fenster und den Nachbarn im Fenster gegenüber?
Ich persönlich denke ja: Wer glaubt, dass die CO2-Steuer für den Klimaschutz verwendet wird, der glaubt auch immer noch, dass die Rentenbeiträge für die Rente genutzt werden.

Und während ich meine täglichen Überstunden ins System eintrage, anschließend noch Abendessen zubereite und nicht lange danach todmüde ins Bett falle, bin ich trotzdem froh, dass es mir persönlich immer noch so viel besser geht als anderen. Dass ich in einem Land wie Deutschland geboren wurde - auch wenn jetzt gefühlt jeder Dritte darauf scheißt oder wenigstens meckert.
Ich weiß noch, wie ich mich fühlte, als wir im Oktober 2016 aus Indien zurückkehrten. Wie dankbar ich die eiskalte, klare Luft einatmete, wie sauber die Straßen waren, durch die wir an jenem Morgen fuhren, wie köstlich das frische Brot duftete, das die Freundin als Willkommensgruß gebacken hatte - und dass ich niemals mit meinen Kindern täglich in Staub und Dreck liegen musste in der Hoffnung, ein paar Cent oder Euro in die Hand gedrückt zu bekommen. Was Überlebenskampf bedeutet, weiß auch eine Greta Thunberg nicht - und insofern kann ich ihre Worte "Ihr habt mir meine Kindheit gestohlen" auch nicht (mehr) ernst nehmen. Ab irgendeinem Punkt dieses Kampfes ist es gekippt...

Ja, uns geht es verdammt gut - und dennoch frage ich mich momentan, woher sie kommt, diese stetig wachsende Unzufriedenheit der Menschen. Dass wir nicht zufrieden sein können mit dem, was wir haben. Dass wir so neiderfüllt, so hasserfüllt auf andere schauen, die etwas bekommen, für das sie nichts geleistet haben, während man hier immer mehr alte Menschen sieht, die in Abfallkübeln wühlen. Warum wir so ängstlich hüten wollen, was wir haben, um eines Tages nicht auch im Kübel suchen zu müssen? Warum wir Angst haben, es könnte morgen einen Klimaknall geben und wir alle werden zu Staub? Wo ist die Besonnenheit, die Sachlichkeit, eine gewisse Pragmatik geblieben, anstatt uns in Hysterie aufzulösen? Warum tun wir so, als hätten wir uns nie fürs Klima interessiert und nun sei unsere Zeit beinah abgelaufen? Stimmt das überhaupt, dass wir nie was getan haben? Ich denke doch mal nicht. Aber möglicherweise denke ich überhaupt momentan wieder etwas zuviel und möglicherweise auch nicht immer das Richtige.

Ich persönlich denke aber eben auch, dass der Mensch wieder lernen sollte, viel mehr zu genießen. Auch und vielleicht auch gerade dann, wenn es viel zu tun gibt.
Aktuell arbeite ich viel, sehr viel, zuviel (sagt der Mann). Und ich würde daran zerbrechen, vermutlich, würde ich mir nicht kleine Inseln schaffen. Inseln dahingehend, dass wir ausgehen, dass wir woanders hinfahren, dass wir Freunde, Familie besuchen, vom Alltag loslassen. Und seien es nur drei, vier Stunden eines Abends, an dem man noch nicht zu müde war.
Es ist Oktober. Es ist schon wieder Oktober. Grad war doch noch Mai. Oder Juni.
Alles vergeht so schnell. Ich will nicht nur existiert haben, ich möchte auch gelebt haben. Denn das ist es ja immer noch: lebenswert. Irgendwie hab ich nur das Gefühl, dass der Mensch diesen Aspekt ein bisschen aus dem Auge verloren hat.

12 Kommentare:

Ruthy hat gesagt…

ÖVPN in M ist ja gut und schön. Aber wenn man wie ich von einem kleinen Vorort im Osten von M 14 km Landstr.-Entfernung zum Arbeiten muß, S-Bahn-technisch erst mit der einen Linie nach M rein und mit der anderen wieder von M raus fahren könnte, wobei der Ziel-S-Bahnhof noch mal die Meile vom Büro weg ist, oder geschlagene 4x von einem Bus zum anderen umsteigen muss, dann pfeif ich drauf und fahr lieber mit dem Auto oder wahlweise im Sommer mit dem Motorrad. Und Fahrrad ist i.M. leider keine Option, dafür bin ich noch immer nicht fit genug...

LG
Ruthy

Dies und Jenes hat gesagt…

OMG wahre Worte. Ich denke es ist einfach zu viel. Zuviel Informationen von der letzten Ecke der Welt, 24/7 alles möglich Essen, Urlaub, selbst Kredite.
Was man bei der Arbeit alles wissen muss. Die ganzen Vernetzungen.

Es geht uns gut und ich ja bin auch dankbar in Deutschland geboren zu sein. Aber da ist doch der eine Teil in unserem Land die die Miete kaum aufbringen können, weil einfach der Lohn zu niedrig ist sie aus dem Sozialsystem draußen sind warum auch immer.

Hier die Tage so... mein Mann komm wir fahren 2 bis 3 Tage weg. Ich ja gerne nur wenn wir das machen, dann ich brauche die Schuhe, den Termin bei der Therapeutin wegen Rücken, ach ja der Schlauch bei der Heizung muss ja auch noch vom Installateur gemacht werden und ja ... das wären dann mal so knapp 1000 Euro die wären dann weg und wie soll das gehen. 1000 Euro da brauch ich ne Weile bis ich die beiseite habe. Somit fällt das am wenigsten wichtige weg. Die Tage am Meer. Ich kann es drehen und wenden wie ich will. Das mit der Heizung muss es wird Winter, das mit den Schuhen muss die alten sind kaputt, und das mit dem Rücken ja das muss auch - und ja verdammt nochmal das mit dem Meer muss auch aber ...

Du siehst....

Ich wünsch Dir einen wunderschönen Oktober und Zeit für Dich.

LG
Ursula




Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Irgendwie kann ich nicht mehr übers Handy kommentieren (was ich gestern Abend versuchte), also heute noch mal :)

Liebe Ruthy, genauso wie Du sehe ich es eben auch! Ich hoffe, mein Post war dahingehend nicht missverständlich. Innerhalb der Stadt gibt es sehr viele Menschen, die Auto und nicht mal ÖPNV brauchen, die nutzen das Rad. Wo das möglich ist - eine sehr gute Alternative. Es ist aber nicht jedem möglich. Wenn man selber auf das eine oder andere verzichten kann oder gar nicht nutzt, ist es leicht, sich dafür einzusetzen oder zu befürworten.
Und mit dem Fahrrad in einer Großstadt - egal ob M oder L - wäre für mich überhaupt keine Option. Grad in M stelle ich immer wieder fest, wie aggressiv die Leute fahren. Alles ist auf Geschwindigkeit konzentriert, wer nicht schnell genug ist, wird gnadenlos angehupt oder es wird viel zu nah aufgefahren und gedrängelt, viel zu nah an einem vorbeigefahren. Das ist schon mit dem Auto oft hart an der Grenze, mit dem Fahrrad aber...
Meine Freundin wohnt im Osten Ms auf dem Land und muss nach M hinein zur Arbeit. Mit dem Fahrrad fährt sie zur S-Bahn, aber die ist oft unzuverlässig, vor allem, wenn erste Schneeflocken fallen. Wenn eine ausfällt, dauert es 30 - 45 min, bis die nächste kommt, das geht arbeitstechnisch wiederum nicht. Also nimmt sie das Auto, wie soll sies auch machen?
Sie zahlt also doppelt - einmal das Monatsticket und dann den Sprit, beides wird dazu auch noch immer teurer.
Oder eben meine Söhne: Der eine muss knapp 200 km täglich fahren (hin und zurück), es fährt morgens nur eine einzige Bahn in diese Richtung, und das auch zur falschen Zeit. Wenn die ausfällt, wars das extra. Kam also nicht in Frage. Der andere fährt nur etwa 60 km am Tag (hin und zurück), aber der Firmensitz ist irgendwo in der Pampa, wo es tatsächlich keine ÖPNV-Verbindung gibt. Am Firmensitz ist aber der Fahrzeugpool mit den Krankenfahrzeugen. Er muss also dahin. Beginnt morgens zwischen 5.50 Uhr und 10.00 Uhr und endet nachmittags, abends zwischen 13 und 20.30 Uhr. Dazwischen liegen alle möglichen Zeiten, die man mit ÖPNV nicht abdecken und mit dem Fahrrad nicht bewältigen kann. Bei dem Verdienst kann er dank der WG mit dem Bruder grad so seine Kosten decken. Wenn der Bruder auszieht und Sprit, Steuern etc. auch noch teurer werden, haben wir ein Problem, von dem ich jetzt noch keine planbare Lösung habe. Ideen schon. Aber das müssen wir eh erstmal an uns rankommen lassen. Wenn im Februar oder März 2020 entschieden wird, wo Sohn II nach dem Ende der Ausbildung dann eingesetzt wird.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Ursula, ich bin immer sehr dankbar, wenn mir Leser ihre Gedanken mitteilen, bei jedem Einzelnen. Danke auch für Deine Worte!!

Und ja, das ist es eben: Wir sind irgendwie alle froh und dankbar, hier zu leben und nicht dort, wo das Leben wirklich beschissen ist. Dennoch muss dieses Leben auch bezahlt werden können, angefangen mit der Miete. Auch wenn ich mich wiederhole: Grad am Beispiel meines Sohnes frage ich mich, wie er finanzieren soll, vielleicht im nächsten Jahr allein zu leben. Wie er das bezahlen soll. Natürlich helfe ich, wo ich kann, das habe ich immer so gemacht. Aber ist das die Lösung? Dass es nur mit Hilfe anderer geht? Was ist, wenn ich mal nicht mehr helfen kann? Was ist mit den Menschen, die niemanden haben, der ihnen helfen kann?
Soll die Lösung tatsächlich in Zweit- und Drittjobs bestehen, zumindest, solange man alleine lebt? Er hatte das alles schon, unter diesem zusätzlichen Stress hat er einen Morbus Basedow entwickelt. Mit ziemlich katastrophalen Auswirkungen. Es kann nicht jeder alles schaffen, es kann auch nicht jeder jeden Tag 150 % geben. Ist man deswegen ein schwacher Mensch? Ein Schwächling? Gott bewahre.
In diesem Jahr hatten beide Jungs eine Reparatur an ihrem Kfz mit größerem finanziellen Ausmaß. Sie brauchen das Auto jeden Tag, es gibt keine Alternative. Ich war froh, dass ich helfen konnte - aber ich zittere mittlerweile schon, wenn einer von beiden anruft.
Oder wenn der eine heute Morgen schreibt: "Was für ein Start in den Morgen, habe mich um 45 Grad auf der Abfahrt gedreht."
Ihm und dem Auto ist nichts passiert - was für ein Glück!! Und was ist, wenn? Manchmal kann ich nachts nicht schlafen, weil ich nicht immer weiß, wie wir das alles schaffen auf Dauer.
Und dann schlage ich die Zeitung auf und lese, dass es neben der Erhebung einer CO2-Steuer auch Erhöhungen bei Kfz-Steuer und Spritpreisen geben soll. Und man sich drauf einstellen soll, dass auch die Krankenversicherungsbeiträge steigen.
Ganz ehrlich.. Wir gehen alle arbeiten in unserer Familie, und trotzdem weiß man nicht, wie man alles auf Dauer bezahlen kann oder wird.
Was mich obendrein so ärgert an der Klimathematik, ist, dass es der Politik doch scheißegal ist. Oder hat man im Zuge der Klimadebatte je was davon gehört, dass von dem eingenommenen Geld die Meere vom Dreck der Menschen befreit werden? Was ist mit der Monokultur und dem Einsatz von Pestiziden? Was ist mit der unkontrollierten Massentierhaltung und dem Dreierpack Schnitzel für 1,50? Was ist mit der Unmenge an Verpackungsmüll? Warum muss ein Muffin dreifach verpackt werden? Du kannst bewusst einkaufen wie Du willst: Nach jedem Einkauf entsteht ein Verpackungsmüll, der einem die Tränen in die Augen treiben kann. Was ist mit den vielen leerstehenden Häusern in Großstädten wie L und warum werden die nicht saniert und vermietet, stattdessen immer neue Flächen für Neubau eingenommen, die für ein Geld angeboten werden, das sich Otto Normalbürger kaum noch leisten kann? Im letzten Jahr bin ich mit der Bahn vom Süden Ls quer durch die Stadt in den Norden ins Klinikum gefahren. Der Leerstand, den ich auf der halbstündigen Fahrt bis dorthin gesehen habe, hat mich echt erschreckt.
So wie mich erschreckt, was an Tonnen Lebensmitteln entsorgt wird, um Preise oben zu halten. Dass Lebensmittel überhaupt tonnenweise entsorgt werden und beispielsweise Gurken einem von der EU festgelegten Gardemaß entsprechen sollen. Die teils in Folie eingeschweißt werden. Da kommt mir das Kotzen, wirklich. Und auch das wäre Klimaschutz. Schutz der Ressourcen, vernünftiges Haushalten mit ihnen. Aber davon.. spricht keine Sau. Will auch keiner. Die wollen nur, dass wir zahlen. Und DAS kotzt mich an.

Grit hat gesagt…

Als stille Leserin Ihres Bloges möchte ich mich auch einmal zu Wort melden.
Ein wirklich toller, aber vorallem wahrer Beitrag. Vieles genauso, wie es auch bei uns zutrifft. Wir leben hier auf dem Land, mein Mann z.B. fährt 120km (Hin- und Rückfahrt) zur Arbeit, eine Busverbindung zu seiner Arbeitsstelle gibt es nicht. Zug schon gleich gar nicht, unsere Zugstrecke wurde vor 3 Jahren eingestellt. Wir sind also auf das Auto angewiesen, auch für den Einkauf. Fahrradfahren ja, eher als Sport bzw. als Ausgleich. Selbst hier auf dem Land ist dies gefährlich, mein Sohn fuhr diese Woche mit dem Rad zu unserem Sportplatz, setzte sich mit Handzeichen auf die Mitte der Straße ab und wollte schon abbiegen als ein dahinterkommendes Auto ihn überholte. Zum Glück hat mein Sohn sofort reagiert und es ist nichts passiert. In Großstädten möchte ich kein Radfahrer/in sein. Ein herzlicher Gruß zum Feiertag und alles Gute.
Viele Grüße, Grit.


Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Grit, da bekomm ich Gänsehaut, wenn ich das von Ihrem Sohn lese. Leider sind es eben keine Einzelfälle. Seit ich auf FB die Polizei M abonniert habe, lese ich in wirklich jedem Beitrag, der täglich mindestens einmal erscheint, von einem Unfall mit einem Radfahrer.

Ich hatte mir mal den Spaß gemacht und über die lokale App von L den möglichen Arbeitsweg von Sohn I zu testen. Mit 2 bis 3 x Umsteigen bräuchte er knapp 1,5 Stunden für eine Strecke - und es gibt nur eine Verbindung pro Stunde. Was also, wenn dann eine Bahn ausfällt, was öfter vorkommt als man glauben mag? Grad bei der S-Bahn? Wir haben es oft genug erlebt, nur war das immer für private Zwecke, wo es einen nicht ganz so in den Allerwertesten kneift wie wenn man zur Arbeit muss. Wann er abends Feierabend hat, weiß er nie, weil der Plan kaum Gültigkeit besitzt. Manchmal endet er vorzeitig, meistens viel später, nur selten nach Plan. Drei Stunden reine Fahr- und Wartezeit bei Arbeitsstunden von bis zu 10-11 Stunden. Da ist man am Arsch, sorry, da bleibt auch keine Zeit für einen Nebenjob, um alle Kosten selber decken zu können.
Ich übe mich dennoch nach wie vor in Hoffnung und Zuversicht. Es wird sich eine Lösung finden. Ideen hätte ich schon, trotzdem hoffe ich noch auf ein wenig mehr Zeit. Manchmal arbeitet die tatsächlich auch für einen und stellt Lösungen auf, die man Wochen zuvor noch gar nicht erwartet hätte.

Viele herzliche Grüße auch von mir an Sie und überhaupt an Euch und einen sonnigen Feiertag wünsche ich uns allen :)

Dies und Jenes hat gesagt…

Liebe Helma,

ja die Kinder wie sollen die es einmal schaffen... sind ja nicht alle mit Papas Boot und Jaguar aufgewachsen und haben auch noch ne Krankheit am Hals. Ich sorge mich auch um unsere beiden Kids.
Ich brauche keine 5 Jeans und 7 Jacken auch nicht alles neu weniger ist mehr, Nippes gibts schon lange nicht mehr, ich versuche Plastikfrei einzukaufen, Haarseife und Körperseife sind hier zwischenzeitlich Standard, spare ein wo es geht Hier gibt es seit wenigen Tagen die E-Zeitung die Papierzeitung ist zwischenzeitlich auf 41 monatlich angestiegen.... geht gar nicht die E-Zeitung spart wenigsten 15 Euro und da 5 und 10 ja es ist schaffbar. Es gibt eben nimmer so viel Fleisch ich sowieso nimmer und wenn dann Bio. Ich versuche einfach zu kochen nix wegzuwerfen.
Miete, StromGasWaser, Standardversicherungen, Kosten für den Weg zur Arbeit Fixkosten beim einen mehr beim anderen weniger und egal was für ein Fuckgesetz jetzt rauskommt einige werden immer die Leidtragenden sein und Mehrkosten zu verkraften haben und die werden viele nicht haben.
Ich versuch das beste daraus zu machen. Wir schaffen es. Nur manchmal denke ich könnte etwas einfacher sein.
LG
Ursula



Clara Himmelhoch hat gesagt…

Liebe Helma, wirklich ein Post, über den ich lange nachdenken kann.
Für mich sind die vielen Plastik-Umweltsünden gekippt, als wir 1989 angegliedert wurden - da verschwanden die Papiertüten, da wurden überall Sachen aus Plastik angeboten und für supersuper gut empfunden. Die DDR war einfach zu arm dafür, um manche Sachen zu machen, die Sachen waren nicht werbewirksam unverhältnismäßig zu groß eingepackt. - Und das, was Rohstoffe gespart hat (Flaschen sammeln, Papier abgeben und anderes - also der Wertstoffhandel), der wurde gleich und sofort eingestellt.
Wir hatten in der DDR auch schlechte bis sehr schlechte Politiker - doch die, die wir jetzt haben, würde ich auch kaum anders bezeichnen.
Ich kann diesen Tag nicht so richtig als Feiertag genießen.
Lieben Gruß zu dir

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Ursula, ja das denke ich auch manchmal: Es könnte doch alles auch ein wenig leichter sein bzw. werden. Auch wenn ich mir immer wieder sage, dass wir hier auf ziemlich hohem Niveau "klagen". An der Stelle wäre ich vielleicht doch gerne nochmal 20, da hab ich alles wesentlich unbeschwerter gelebt, gedacht, gefühlt. ;)

Liebe Clara, ich hab es - ehrlich gesagt - aufgegeben zu sagen, dass eben auch im Osten nicht alles soo schlecht war. Auch wenn Gravierendes Scheiße war.
Aber grad diese Plastikgeschichte, dass es nur eine einzige Krankenversicherung gab, Polikliniken gab (kam ja auch wieder, heißt heute nur Ärztehaus ;)), keine Konservierungsstoffe in den Nahrungsmitteln. Das Obst in Papier und so hat Edeka wieder eingeführt, ich begrüße das sehr. Ich kann mir in recycelten Papiertüten lose zusammensammeln, was ich brauche.
Insofern hab ich auch nicht schlecht gestaunt, als auf dem Wochenmarkt hier bei uns ums Eck der Obst- und Gemüsebauer zig Plastetüten am Haken hatte.
An den Wertstoffhandel kann ich mich noch sehr gut erinnern, wir mussten das oft von der Schule aus machen, aber ich hab auch das Zeug von zu Hause weggebracht und mich über die Pfennige oder die Mark gefreut :) So ändern sich die Zeiten, für nen Euro würde sich beispielsweise meine Jugend nicht mehr krumm machen ;)
Wir haben unten im Haus einen abschließbaren Müllcontainerraum, da stehen zwei Restebehälter, zwei Biotonnen und zwei Papiertonnen drin. Die Leute sind so stinkendfaul.. Die schaffens nicht mal, ihre scheiß Amazonpakete flachzutreten und in den Papiercontainer zu werfen (die sind als einzige Container verschlossen, vermutlich eben, damit die Leute ihre Pappe zerkleinern). Aber selbst dazu sind sie zu faul, schmeißen es eben einfach nur in den Raum hinein oder auf die Papiertonne oben drauf. Da könnte ich schreien! Leider stand eine Adresse von ganz woanders her auf dem Etikett - ich bin da manchmal so kleinlich, ich hätte den Karton wieder bei der Person vor die Tür gestellt mit nem Zettel dran "Wenn ich klein bin, schaffe ich es auch IN den Container!"
Weil mich die Faulheit und Ignoranz der Leute einfach manchmal wahnsinnig macht.
Zum Wertstoffhof sinds 200 m. Na gut, vielleicht 300. Schaffen die auch nicht, ihre Quietschpappe, Malerreste und so Zeug hinzubringen. Nö, da wird der gerade geleerte Abfallcontainer wieder halb voll gestopft und der Rest der geschätzten 50 Mieter kann dann zusehen, ob er seinen Müll bis zur nächsten Leerung noch unterbringen kann.
Es sind Kleinigkeiten, ja, aber mit sowas geht es eben auch los. Genauso wie die Eule, die letztens ihren scheißblöden Kaffeebecher auf die Autobahn schmiss. Das erlebe ich tatsächlich bei fast jeder Fahrt, dass mir so ein blöder Becher entgegenkommt. N fettes Auto fahren und auf vornehm tun und dann einfach so den Becher zu entsorgen, damit ja nix in ihr teures Auto tropft. Ey da raste ich aus!
Du merkst, ich red mich grad in Rage - und dabei wollte ich doch dafür plädieren, den Moment zu genießen und auch die goldenen Seiten des Oktobers zu sehen und zu genießen ;)

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Hallo Helma, danke für deinen so wunderbaren Kommentar, vor allem deswegen, weil mir so vieles darin aus der Seele sprach.
Vor dieser Wohnung, also vor 4 Jahren, wohnte ich in einer Wohnung, in der viele Ausländer und Hartz IV-Empfänger lebten. Da habe ich es geschafft, mich über die Mülltonnen nicht ganz so sehr aufzuregen.
Doch dann zog ich hierher, wo ca. 80% die Wohnungseigentümer sind. Aber es ist in nichts besser, hier werden auch die ganzen Kartons in die Papiertonnen gestopft. Das Namensschild machen sie allerdings ab. Und ich mache immer alles mit dem Cutter klein, damit es so wenig Platz wie möglich einnimmt. - Der Glascontainer ist ca. 500 m weg - offenbar eine Zumutung, denn es wird alles in den Hausmüll geworfen.
Schluss, denn ich will mich jetzt nicht auch noch in Rage schreiben. Viele, viele - manchmal denke ich, es werden täglich mehr - Menschen sind rücksichtslos, egoistisch und benehmen sich oft wie Schweine, womit man aber den Schweinen unrecht tut.
Schöne WE-Grüße schickt dir Clara

Grit hat gesagt…

Hallo Helma,
vielen Dank für Ihren lieben Antwort-Kommentar.
Tatsächlich bleibt für einen Nebenjob bei einem Vollzeitjob keine Zeit und Kraft. Es ist für unser Land beschämend, wenn die arbeitende Bevölkerung bzw.auch viele Rentner darüber nachdenken müssen, einen Zweitjob anzunehmen, weil das Geld nicht reicht. Hauptsache die Diäten unserer Politiker werden regelmäßig erhöht. Bei so einem Thema könnte ich auch unerschöpflich diskutieren aber leider ist trotzdem keine Änderung in Sicht.
Wer weiß, was mit unserer Rente einmal wird aber darüber sollte man nicht nachdenken sondern vorsorgen, wenn man es kann. Für Sie und Ihre Söhne wünsche ich, daß sich irgendwo doch noch ein Türchen öffnet und sich die Sorgen vielleicht in Wohlgefallen auflösen.
Ein bisschen Optimismus muss sein! :)
Ein wunderbares Herbstwochenende wünscht Ihnen Grit.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Clara, ich kann nicht mehr übers Handy kommentieren, warum auch immer. Deshalb dauert es manchmal ein bisschen, eh ich antworten kann :)
Die Nationalität eines Menschen ist völlig egal - entweder man lebt und agiert bewusst oder nicht. Und wenn sich der Deutsche da noch so über andere erheben will, er ist keinen Millimeter besser.
Aber Du hast recht, den Schweinen tut man damit tatsächlich unrecht ;)

Liebe Grit, das stimmt, bei einem Vollzeitjob kann man kaum etwas anderes machen. Erst recht dann nicht, wenn man nie - trotz Einsatzplanung! - weiß, wann man wie wirklich arbeitet. Aus einem geplanten 7 - 8 Stunden Tag werden im Lauf des selben Nachmittags Pläne geändert und 10 - 12 Stunden draus. Frei geplante Tage werden am Abend zuvor gestrichen. "Mach oder ich muss dir kündigen" ist eine allzu beliebte Floskel geworden.
Dass Rentner nach Rentenbeginn noch arbeiten, so könnte ich mir vorstellen, wird gerne verwechselt mit der Annahme "Aha, sie können und sie wollen, also heben wir das Rentenniveau doch gleich mal generell an, können wir nur sparen."
Dass sie müssen und gar nicht immer wollen, wird sicherlich gerne übersehen.
Meine Eltern waren früher immer die Verlierer. Alle "sozialpolitischen Maßnahmen" gingen an ihnen vorbei, weil sie just an der Berechtigung vorbei waren. ZB die bezahlten Kind-Krank-Tage (da waren wir drei dann schon groß genug, um alleine zu Hause zu bleiben).
Heute sind sie dafür "Gewinner". Sie sind beide Rentner und es geht ihnen finanziell gut. Weil sie sich beide haben und beide immer gearbeitet und halbwegs verdient haben.
Ob das dann noch so ist, wenn einer nicht mehr da ist, muss man an sich rankommen lassen.
So wie wir letztlich alle.
Vorsorgen - ja, das machen wir. Daran ärgert mich, dass ich von meinem bereits versteuerten Geld investiere, weil der Staat mir meine Rente nicht garantiert. Und wenns dann soweit ist, muss ich mein versteuertes Erspartes noch mal versteuern. Aber na ja, das ist dann auch wieder ein anderes Thema :)