Dienstag, 10. März 2020

Einmal aber sollte ich..

Einmal sollte man seine Siebensachen
fortrollen aus diesen glatten Gleisen.
Man müsste sich aus dem Staube machen
und früh am Morgen unbekannt verreisen.

Man sollte nicht mehr pünktlich wie bisher
um acht Uhr zehn den Omnibus besteigen.
Man müsste sich zu Baum und Gräsern neigen,
als ob das immer so gewesen wär.

Man sollte sich nie mehr mit Konferenzen,
Prozenten oder Aktenstaub befassen.
Man müsste Konfession und Stand verlassen
und eines schönen Tags das Leben schwänzen.

Es gibt beinahe überall Natur,
man darf sich nur nicht sehr um sie bemühen.
Und soviel Wiesen, die trotz Sonntagstour
auch werktags unbekümmert weiterblühen.

Man trabt so traurig mit dem Trott,
die anderen aber finden, man müsste. 
Es ist fast, als stünd' man beim lieben Gott
allein auf der schwarzen Liste.

Man zog einst ein Lebenslos "zweiter Wahl".
Die Weckeruhr rasselt, der Plan wird verschoben.
Behutsam verpackt man sein kleines Ideal.
Einmal aber sollte man....

Mascha Kaleko


Als ich dieses wundervolle Gedicht heute Abend eher zufällig in einem Kommentarfeld fand, da musste ich es einfach mit mir mitnehmen - damit ich es nicht wieder vergessen würde.
Und ich fühlte sie, die unfassbare Sehnsucht nach Frühling, nach Meer, nach Kleidchen, nach Möwengeschrei, nach Wellen mit Schaumkronen, nach nackten Füßen im Sand, nach Muscheln sammeln, nach frischgebackenem Kuchen und einer Tasse Kaffee dazu, während der Blick über den Horizont schweift und alle meine Gedanken sich verlieren in dieser unendlichen Weite..

..als ich dieses Gedicht las, hatte ich spontan irrsinnig viele Bilder in meinem Kopf. Und das richtig Schöne ist, dass wir schon bald ein paar davon umsetzen können.. Und unmittelbar danach gleich noch einmal. Und wenn der Mann dann in die Berge verreist, werde ich.. mir das Ganze noch einmal gönnen. Wohin genau, das suche ich mir noch aus.
Sicherlich spricht die Kaleko nicht von Reisen, nach denen man wiederkommt. Aber ich.. war schon immer ein Zugvogel. Vermutlich kann ich gar nicht (mehr) für immer irgendwo verweilen. Irgendwohin zieht es mich immer, mal nach da, mal nach dort. Irgendwie wärs auch geil, wenn man immer mal irgendwo leben könnte, so lange wie man mag. Wo es einem gefällt. Und wenn man genug hat, zieht man weiter..
Für genau jetzt wäre das nicht möglich.
Behutsam verpack ich mein kleines Ideal. Einmal aber sollte ich...

6 Kommentare:

Juna hat gesagt…

Es ist sehr schön - Danke fürs mitnehmen ♥

Einmal aber sollte ich..., das machen wir alle viel zu wenig. Ich kann deine Lust nach hier oder dort verweilen verstehen und teile sie, aber auch hier ist das jetzt nicht möglich - dafür sind die "kurzen" Momente so enorm wichtig, auch wenn es nur ein paar Tage sind.

Ich freu mich auf die Zeit, wo du die Füße hier oben in den Sand steckst ;-), rieche den frischen Kuchen, den Kaffee und höre dein Lachen.

FrauHummel hat gesagt…

Ein Text, der auch mich sehr berührt und mir aus der Seele spricht! Aber ich bin inzwischen soweit, dass ich regelmässig und bewusst "das Leben schwänze", also das geordnete, fremdbestimmte, und mich so oft wie möglich dem Leben hingebe, so, wie es sich mir gerade präsentiert. Natürlich geht das nicht zu 100%, denn ein paar Kröten müssen wir uns ja trotzdem alle verdienen, um unser Ideal zu leben! Aber ich habe meinen Lebensstil auf Handbreite dem angenähert, was meinem höchstpersönlichen Ideal entspricht, habe mich weitestgehend aus dem ausgeklinkt, was "man" eben so tut und lässt, dass es sich inzwischen wirklich gut anfühlt. Perfekt ist es noch nicht- aber ich arbeite dran! 😊
Merci für diese anrührenden Zeilen- sie haben mich darin bestätigt, was ich tue!
Ganz ❤️liche Grüsse!

Anonym hat gesagt…

mein Buchtipp zum Text:

Mascha Kaléko

Sei klug und halte dich an Wunder
Gedanken über das Leben

Mascha Kalékos Rezepte fürs Leben
Eine wunderbare Lektüre,

sonnigen Tag wünscht dir Petra

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Juna, ja, genau das finde ich wichtig: dass die "kleinen" Momente wahrgenommen und genossen werden. Es geht so schon viel zu vieles unter.

Liebe Frau Hummel, das war ja mal ein schöner Kommentar! <3 Und natürlich bin ich auch nicht so realitätsfremd, als dass ich glauben würde, nur von Luft & Liebe leben zu können. Davon bezahlt sich das Leben leider nicht. Ich persönlich strebe auch nicht nach Perfektionismus, ich kann sehr gut mit Provisorien leben (leider - denn manchmal manifestieren die sich :)), aber unterm Strich muss es sich gut anfühlen. Damit man gerne lebt und das gerne tut, was man eben tut.

Liebe Petra, ich habe mir gestern wirklich gleich dieses Buch herausgesucht und in den Warenkorb gelegt. Da ich aber in diesem Monat schon einiges an Geld für Malzeug ausgegeben habe, verschiebe ich den Einkauf auf den nächsten Monat. Und freue mich jetzt schon sehr auf dieses Buch! Eine Leseprobe gab es zwar nicht, aber manche Kunden schrieben Auszüge in ihre Bewertungen - und die klangen sehr vielversprechend für mich. Lieben Dank dafür!!

Rain hat gesagt…

Was für herrliche Zeilen...wenn Worte instant Sehnsucht auslösen, weiß man, dass es WAHRE Worte waren...danke Dir sehr dafür :-).

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Genau - mich haben diese Zeilen quasi angesprungen, vermutlich eben, weil sie für mich absolut WAHR sind :)