Donnerstag, 26. März 2020

Tag was-weiß-ich


Ich stamme ja aus dem Norden. Daher, wo man sagt, dass die Kühe schöner seien als die Mädchen.
Daher, wo man sagt, die Leute hätten eine begnadete Arschruhe.
Daher, wo man, wie ich finde, den herrlichsten Dialekt spricht und wo man, wenn man das Plattdeutsch denn auch beherrscht, den besten trocknen Mutterwitz aller Zeiten findet.
Von daher.. dauert es schon ein bisschen, um mich aus meiner gemütlichen Arschruhe herauszulocken.
Ein bisschen was Nordisches muss ich mir ja schließlich bewahren - damit sie mich auch wiedererkennen, wenn ich eines Tages wieder dort lebe.

Dennoch gibt es Dinge, die mir mitunter wahnsinnig auf die Nerven gehen - und die mich auch ganz schnell mal fuchtig werden lassen können.
Unfairness und Ungerechtigkeit, aber das hatten wir schon, alter Hut.
Was mir aktuell tierisch auf die Nerven geht, ist, dass man an keinem einzigen Tag und nirgendwo vom Thema verschont bleiben kann, das derzeit alle Welt beschäftigt.
Ich mags ja nicht mal aussprechen.
Fast schon wieder belustigend empfinde ich, dass Menschen, die die aktuell vorangetriebenen Maßnahmen langsam immer kritischer sehen und auch so empfinden, beschimpft werden mit "Du hast doch den Schuss immer noch nicht gehört" oder "Denk mal ein bisschen nach, dann kommste vielleicht noch drauf" oder "Unsere Großeltern haben einen Weltkrieg überlegt und ihr jammert rum wegen drei Wochen Sofa!" und so weiter und so fort.
Erst gestern tauschte ich mich mit einer Bekannten über dieses Thema aus - und auch sie, deren Schwester als Ärztin beschäftigt ist, kann diesem medialen Aufschrei und der daraus resultierenden Hysterie nicht folgen. Leergekaufte Klopapierregale, man glaubts nicht. Nachbarn, die die Polizei rufen, wenn innerorts eine Freundin die andere besucht, um was Eingekauftes abzuholen. Die dann auch kommt und erstmal mündliche Verwarnungen ausspricht, beim nächsten Verstoß kostets Geld. Ich würds nicht mal glauben, wenn ichs nicht selber "gesehen" hätte.
"Dein gesunder Menschenverstand ist so erfrischend", schrieb sie mir. Das ist freilich Ansichtssache.
Gestern las ich in einem sehr interessanten Artikel (leider weiß ich nicht mehr, wo) über Otto Normalbürger aus Australien. Befragt zu ihrem panikartigen Einkaufsverhalten, bestätigten sie das, was ich tatsächlich einige Tage zuvor im Dialog mit dem Mann gemutmaßt hatte: "Wir machen das so, weils der andere auch macht. Wenns der andere so macht, muss das ja einen Grund haben."
Herdenverhalten.
Nicht nur einmal ist in den letzten Tagen öfter an die Geschichte vom Kaiser mit den neuen Kleidern erinnert worden.

Aber seis drum.
Fakt ist, dass ich vor etwa zehn Tagen nicht schlecht staunte und eher missmutig zur Kenntnis nahm, dass nun auch der Mann in den nächsten zwei Wochen dem Home Office frönen würde.
Wir zwei! Hier! Zu Hause!
"Ruf mich Freitag noch mal an", sagte ich zu einer Freundin Anfang letzter Woche, "wir gucken dann mal, wer von uns beiden das Ganze hier überlebt hat!"
Haben gegackert und uns amüsiert.
Aber ganz so abwegig... erschien mir das nicht! Wir zwei hier auf so engem Raum, mit nur einem Schreibtisch und einer... nun sagen wir... ziemlich unterschiedlichen Auffassung zur Tagesgestaltung (er geht in den Pausen joggen oder Radfahren, ich packe meine Kekse aus und schaue zum Beispiel Kriminalgeschichten öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten).

Aber nun haben wir Tag 9 der verordneten Ausgangsbeschränkung - und wir leben beide immer noch. Von Lagerkoller ist im Grunde nicht wirklich etwas zu spüren. Ich finde sogar, dass wir uns dafür sogar ganz gut arrangiert haben: Wir gehen uns überwiegend aus dem Weg *kreisch*
Tatsächlich sehen wir uns zumeist nur morgens und abends, weil jeder in seinem Zimmer über den PC gehockt sitzt, das Headset übergestülpt und festgefangen in Konferenzschaltungen oder pausenlosen Anrufen von Mitarbeitern und Vorgesetzten. Wenn er mal Pause hat, telefoniere ich - oder umgekehrt. Da hilft tatsächlich manchmal nur noch die stille Post. Und manchmal isst trotzdem jeder für sich zwischen zwei Telefonaten oder wartet auf den anderen, bis sich schon die Stullenränder leicht nach oben biegen.

Insgesamt bin ich aber doch positiv überrascht, wie gut wir uns hier vertragen.
Wir zwei, die ihre Freiheit lieben und Freiraum über alles schätzen.


Ebenso erfrischend empfand ich auch das kleine Video meiner Freundin heute Abend. Sie hat mit ihren zwei Kindern einen Parcours im Gemeinschaftskeller gebaut und ab ging die Luzy. Ich fand das total witzig und ich fand aber auch irgendwie toll, wie man so "zurückfinden" kann zu all den einfachen Sachen, die wir früher als Kinder gespielt haben - und den Spaß unseres Lebens hatten.
Ich fand das wirklich toll!
Auch wenn ich trotzdem sehr, sehr froh bin, dass meine Söhne groß sind und ich sie nicht auch noch ganztägig bespaßen oder ihren Frust ertragen muss. Ich erinnere mich noch an Zeiten, in denen nicht nur flammende Schimpfworte hin und her flogen!
Ich finde cool, was man alles so wiederentdeckt, wenn man die Zeit dafür hat.
Warum nicht einfach mal das Positive in all dem sehen? Warum nicht einfach mal das Positive leben in einer Zeit wie dieser? Warum mich jeden Tag fluten lassen von Zahlen, Nachrichten, von denen inzwischen kein Schwein mehr nachvollziehen kann, was jetzt davon stimmt und was nicht? Warum mich nicht auch mal dem ganzen Hype entziehen und einfach mal auf sich konzentrieren? Gerade in einer Welt wie dieser, die immer schneller und schneller wurde, so dass man Gefahr lief, sich beinah selbst zu überholen?
Mit einem beinah stoischen Gemüt kann ich mich in Dinge fügen, die ich ohnehin nicht ändern kann, und aber das Beste daraus machen.
Irgendwie habe ich den Eindruck... dass der Mensch immer einen Grund zum Jammern findet. Dass es immer etwas gibt, das ihm nicht passt und das beklagt werden muss.
Ich finde das echt anstrengend.
Viel anstrengender als ein gemeinsames Home Office mit dem Mann und dem damit einhergehenden Verzicht auf liebgewordene Rituale ;)

2 Kommentare:

Juna hat gesagt…

Die liebgewordenen Rituale kannst du auch machen, wenn der Herr Blau im HomeOffice ist. Jetzt werden sie sogar noch besser, weil der Quickie am Mittag mit Eiweiß gefüllt werden kann. Für Herrn Blau auch, viel besser, dann klappt das im Oberstübchen besser.

Solche Ideen noch beim ersten Kaffee ;-) Rutscht gut ins Wochenende, ich glaub es kann nur noch schlimmer werden, binmalweg

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Tja nun, was aber tun, wenn die liebgewordenen Rituale eher nix mit Herrn Blau zu tun haben? ;) Ihm schlief heut ein wenig das Gesicht ein, als ich vermeldete, dass ich mindestens die kommenden zwei Wochen auch da bin. Je nachdem, was alles noch kommt - aber ich hoffe tatsächlich auf ein wenig Sach- und Wirtschaftsverstand.
Und so stellte der Mann schon mal den Antrag bei mir, ob wir dann die Plätze tauschen und ich ins Provisorium übersiedeln darf. Zur Erinnerung: Wir haben nur einen "echten" Schreibtisch ;)
Da hilft dann auch kein Eiweiß :D