Montag, 30. März 2020

Aufgerappelt

an seltene.erkrankungen 



Sehr geehrte Damen und Herren,


vielen Dank für Ihr Schreiben, das ich ebenfalls dem Hausarzt Dr. [Hausarzt] für seine Akte übergab. Nach Rücksprache mit Herrn Dr. [Hausarzt] habe ich mich nunmehr entschieden, Ihnen auf Ihr Schreiben zu antworten.

In Ihrem Schreiben legen Sie dar, dass die bisherigen Untersuchungsmöglichkeiten den Rahmen des Möglichen ausgeschöpft hatten und Sie aufgrund der Ergebnislage davon ausgehen, dass die von mir beklagten Symptome psychosomatischer Natur seien.
Ihrer Argumentation könnte ich tatsächlich sogar folgen, wenn ich mich einer solchen Behandlung nicht schon längst unterzogen hätte. Dies ist den Ihnen vorliegenden Unterlagen durchaus zu entnehmen.
Es irritiert mich persönlich immer wieder, dass diese fortlaufenden psychosomatischen Behandlungen im Zeitraum von Januar 2007 bis Anfang 2011 immer wieder übersehen werden. Vier Jahre psychosomatische Behandlung bzw. Begleitung bzw. Verhaltenstherapie mit einem ausgesprochenen Erfolg für die Entwicklung meiner eigenen Persönlichkeit. Ich bin sehr dankbar für diese vier Jahre, ich habe sehr viel gelernt. Unter anderem habe ich dabei auch gelernt, mich weder in Schubladen hineindenken noch mich so behandeln zu lassen.
Was bis heute trotz allem nicht gelungen ist, ist eine Verbesserung der körperlichen Entwicklung, von der der behandende Neurologe Dr. [Neuro], M, im Herbst 2018 zu mir sagte: "Wenn man sich den Verlauf nebeneinander legt, kann man sagen, dass es langsam, aber stetig immer schlechter wird." Er verwies darauf, dass das Feld der Neurologie unfassbar weit sei und es entsprechend viele Erkrankungen gäbe, von denen man nur wenig oder auch gar nichts wisse. Aus diesem Grund überwies er mich in das Klinikum [xx]. Das Ergebnis dessen setze ich als Ihnen bekannt voraus. Dem Besuch dort verdanke ich zumindest die im Nachgang bestätigte Diagnose Hashimoto Thyreoiditis.
Herr Dr. [Neuro] bescheinigte mir im Januar 2019, dass "man" Patienten wie mich genau da würde haben wollen, wo ich heute schon sei: dass ich weiter am Arbeits- und persönlichen Leben teilhabe, dass ich mich sportlich betätige, dass ich mich abgrenze und auch für mich persönlich sorgen kann. 
"Machen Sie genau so weiter", sagte er.
In all den Jahren habe ich nichts anderes getan, jedoch auf die körperliche Entwicklung habe ich nach wie vor keinen positiven Einfluss nehmen können.
Mit dem linksseitigen Schmerz in den Gelenken lebe ich also. Mein Fokus liegt schon sehr lange nicht mehr auf dem Schmerzempfinden oder überhaupt auf meiner körperlichen Verfassung. Doch wenn ich eines Tages aus dem Stand aus einer völlig ruhigen, entspannten Position heraus einfach umfalle und anschließend deutlich Schwierigkeiten habe, meinen Gang zu koordinieren, sollte es mir gestattet sein, Ursachen herausfinden zu lassen und diese aktiv angehen zu dürfen.
Ob die beiden Dinge, Schmerz und Tremor/Gangunsicherheit,  zusammengehören oder einzeln zu betrachten sind, kann ich als Laie nicht beantworten. Für mich persönlich spielt auch keine Rolle, inwieweit das eine mit dem anderen zusammenhängt oder auch nicht. Ich fühle mich jedoch auch in meinem Alter noch viel zu jung, um mich schon morgens beim Aufstehen wie betrunken zu bewegen. Also habe ich mich schlussendlich im Sommer 2018 der Alternativmedizin zugewandt, obwohl ich dieser sehr skeptisch und zurückhaltend gegenüberstand. Der Erfolg der Ozon-Blutbehandlung mag schulmedizinisch fragwürdig sein, ist aber dennoch - für mich - überraschend deutlich (vollständige "Ausheilung" des Tremors bis heute). Die Heilpraktiker in L als auch M sahen darin ein infektiöses Geschehen im Nervensystem als bestätigt.

Ich kann nicht einmal sagen, dass ich an Ihr Zentrum eine besondere Erwartung hatte. Erwartungen habe ich mir schon vor sehr langer Zeit abgewöhnt. Doch was ich hatte, war Hoffnung. Eine Hoffnung, die nicht eine vorliegende seltene Erkrankung oder Störung beweisen muss. Aber die Hoffnung auf einen möglichen Weg. Auf einen Aspekt, der bisher eventuell noch nicht betrachtet worden ist. Zumindest hätte ich mir gewünscht, dass Sie wenigstens hinterfragen, inwieweit sich zum Beispiel die Kortison-Behandlung auf die beklagten Symptome auswirkt. Diese Behandlung wurde im Januar 2020 zum allerersten Mal getestet (auch den Ihnen vorliegenden Unterlagen zu entnehmen) - und hatte bei der Tagesdosis von 40 mg sicherlich einige Nebenwirkungen, vor allem aber eine sehr deutliche Verbesserung in der Gangsicherheit, in der fast vollständig aufgehobenen Schmerzintensität der Finger und auch eine allgemeine Besserung des Schmerzempfindens. Für Herrn Dr. [Hausarzt] ist dies ein Hinweis auf ein infektiöses Geschehen im Körper. Leider Gottes hat zumindest die Schmerzintensität in den Fingern und auch in den linksseitigen Gelenken nach dem Ausschleichen und Absetzen des Medikaments wieder deutlich zugenommen. Unbeantwortet ist auch die Frage, warum eine schubweise deutliche Verschlechterung der körperlichen Verfassung überwiegend in der kalten Jahreszeit auftritt. Je kälter, desto intensiver die Symptome. Ein Umstand, der in der Ihnen übergebenen Chronologie zumindest für mich relativ deutlich wurde.

Eine Dauerlösung ist Kortison jedoch nicht und darum wandten wir uns an Sie.
Am Grad der Enttäuschung wird immer deutlich, wie groß die Hoffnung letztendlich doch war.
Von meinen Zeilen verspreche ich mir insofern gar nichts - aber ich wollte Ihr Schreiben und die darin aufgestellten Annahmen dennoch nicht unbeantwortet stehenlassen. Für die von Ihnen in den Raum gestellte fragliche Sarkoidose fehlt Herrn Dr. [Hausarzt] insbesondere eine symptomatische Beteiligung der Lunge. Auch Ihrer Einschätzung zum psychosomatischen Geschehen folgt er (nach wie vor) nicht. Hierzu würde ich gerne auch auf den Ärztlichen Entlassungsbericht der [Reha]-Klinik vom Januar 2012, Seite 6, verweisen. Es ist tatsächlich schade, dass ich die meisten dieser Aussagen bzw. Einschätzungen nicht schriftlich nachweisen kann.
Ich frage mich nur: Wenn Lösungen immer so einfach wären, wozu braucht es dann Zentren für seltene Erkrankungen, die Ergebnisse lediglich an gängigen Laborparametern ablesen? Diese Frage ist nicht zynisch, sondern tatsächlich ernst, aber selbstverständlich rhetorisch gemeint.

Haben Sie einen schönen Tag.

Mit freundlichen Grüßen


So. Und jetzt fickt Euch, Ihr Drecksäcke.

9 Kommentare:

Juna hat gesagt…

Chapeau, ich hoffe du hast ihn so abgeschickt ( ok ohne den letzten Satz) fühl dich umarmt.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Juna, selbstverständlich habe ich ihn so abgeschickt - heute Nachmittag. Für den Blog habe ich diese Mail dann kopiert und anonymisiert. OK, und den Schlusssatz nur hier hinzugefügt. Beim Mailabsenden habe ich ihn nur gedacht ;) Ich erwarte keine Reaktion und scheiß auch drauf. Aber meine Meinung sagen wollte ich ihnen in jedem Fall. Irgendwann ist es einfach genug. Vielleicht hilfts dem nächsten Patienten. Lass Du Dir mal die leckere Pizza schmecken :)

~ Clara P. ~ hat gesagt…

Hut ab, liebe Helma. Das ist mal ein gut und klar formulierter Brief. Ich wäre auch enttäuscht (und bin es oft, weil ich ähnliche Erfahrungen mache). Ich hoffe sehr, dass Dir die Alternativmedizin weiterhin helfen kann und Du soviel Lebensqualität solange wie möglich genießen kannst!

Liebe Grüsse
Clara P.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Clara, danke :) Ich kann absolut nachvollziehen, dass Du genau solche scheiß Erfahrungen machen musst wie z. B. ich - aber irgendwann ist eben 1 x zuviel. Zwar hab ich schon früher meine Meinung direkt geäußert, aber nicht ganz so nachhaltig wie hier. Im Schreiben bin ich meist besser, grad wenn die Dinge sich etwas "gesetzt" haben. Denn vis a vis bin ich oftmals vor allem eins: sprachlos. Sprachlos ob der Frechheit und der Anmaßung, die sich so viele Ärzte und Spezialisten herausnehmen.
Die Alternativmedizin ist leider Mitte des Jahres auch an ihre Grenzen gekommen - und ich an meinen finanziellen Spielraum. Die Schulmedizin sagt gerne "Die Alternativmedizin ist Humbug" und die Alternativmedizin sagt "Wir brauchen die Schulmedizin, beides sollte Hand in Hand gehen." Tut sie nur leider nicht, dann würde es aber vielen Betroffenen vermutlich besser gehen. Stattdessen beschließt Spahn, dass zB die Bluttherapie nur noch von Ärzten gemacht werden soll. Also von denen, die alternative Wege ablehnen.

Grit hat gesagt…

Hallo Helma,

Klasse!
Der Brief hätte auch von mir sein können, tolle Wortwahl und Formulierungen!!

Vielleicht eröffnet sich doch noch ein bis jetzt, ungeöffneter Weg!

Herzlichst, Grit!

Grit hat gesagt…

** 2. Versuch **


Hallo Helma,

Klasse!
Der Brief hätte auch von mir sein können, tolle Wortwahl und Formulierungen!

Vielleicht eröffnet sich doch noch ein bis dato ungeöffneter Weg.

Herzlichst, Grit.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Grit, tatsächlich habe ich das Kapitel "Zentrum" für mich persönlich mit dieser E-Mail abgehakt. Die brauchen mir nicht zu antworten. Sonst müssten sie ja zugestehen, dass sie vielleicht doch nicht intensiv genug die Aktenlage studiert haben (wovon ich irgendwie ausgehe).
Wie sagte der Mann letztens so schön: "Dein Fall ist einfach nicht interessant genug."
Vielleicht hätte ich ja mehr Erfolg, wenn ich mich dauerhaft in die Arbeitsunfähigkeit begäbe. Wie im dem Jahr 2009. Je länger ich krank geschrieben war, desto mehr bekamen die Institutionen das Laufen, weil ich einerseits zuviel Geld kostete und andererseits noch zu jung war, Renten- bzw. Krankenkassen zu belasten. Ich soll ja schließlich einzahlen, nicht kosten. Solange ich kann. HarHar. Und Spahn macht ja in seinem Stuhl als Gesundheitsminister allen immer wieder vor, dass nicht der Mensch, sondern die Kosten im Fokus stehen. Blöd nur, dass der Mensch ja auch erst die Beiträge erbringen muss, mit denen sie herumjonglieren. Aber so what, es gibt ja immer noch genügend gesunde Menschen, die Beiträge erwirtschaften. Da verkraftet man auch Kollateralschäden.
Und ja, DAS war jetzt zynisch, aber auch ernst gemeint.

Ich denke also, ich werde einfach so weitermachen wie sonst auch: Akzeptieren, aushalten, weitermachen. In der Hoffnung, dass die Verlaufskurve nicht noch mieser wird. Darüber mache ich mir aber tatsächlich keine Gedanken. Es kommt wies kommt - und das kann ja auch was Positives bedeuten :)

Dies und Jenes hat gesagt…

Find ich super gut dass du das abgeschickt hast. Ich frag mich ja so manchmal wer hier Medizin studiert hat ich oder der Arzt.. So manche Ungereimtheit kam mir im Laufe der MS Krankheit und auch vorher über den Weg.

Vielleicht findest du ja noch einen anderen Weg. Über Ernährung, VitaminD3 und was es alles gibt etc. ich bin da sehr experimentierfreudig und wagemutig. Ich hab lass Weißmehl weg, Zucker und Milch und Milchprodukte und Eier und Fleisch und Co. Bis auf etwas Käse aber den aus Bioziege. Und versuche viel Rohkost zu essen. Es tut mir gut. Und so wird jeder seinen Weg finden mit welchem er seine Krankheit in Schach hält oder sogar heilt.

Wichtige Blutuntersuchungen die Aufschluss geben werden eh nicht gemacht. Kosten ja Geld aber da spart man am patienten, denn so kann man einfach Pharmamittel verschreiben und die Pharma gewinnt....

Oh und ehrlich mir kommt das große k.. wenn ich dran denke wer sich jetzt mit C alles profilieren will und kann.


LG
Ursula

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Ursula, ich hab ja schon im Sommer 2018 begonnen, meine Ernährung umzustellen. Und fühle mich auch wohl damit. Einige Blutwerte konnte ich alleine damit wieder in den grünen Bereich bringen. Von der körperlichen Verfassung her aber.. tut sich leider nichts. Weißmehl hab ich gegen Mandel- und Leinmehl ersetzt, Bohnenkaffee 50/50 (sei verträglicher als 100/0 sagt die HP ;)) gegen Lupinenkaffee, Kuhmilch gegen Hafer- und Mandelmilch, Kürbiskernöl gegen Olivenöl, Zucker gegen Stevia und Kokosblütenzucker, esse jeden Tag Äpfel, Mandarinen, jede Woche Himbeeren, Heidelbeeren, Ananas, Möhren, Gurken, Schoten... Kochen alles frisch, garen vitaminschonend.. Klingt alles anstrengend, ist es aber gar nicht. Nur.. dem Körper selbst hilft es eben nicht. Hab mir jetzt ein neues Kopfkissen gekauft und an den Einstellungen der Matratze herumgeopert. Seitdem schlafe ich wieder tief und fest und ruhiger (sagt der Mann).

Ein wirklich umfassendes Blutbild hat nur die Heilpraktikerin vor 2 Jahren gemacht. Danach waren eben Borrelien auffällig, Eisen sowieso (aber das wusste ich da schon), Vitamin D (war mir neu) und Cholesterin. Damals wusste ich noch nichts von Hashimoto, die Diagnose kam erst ein halbes Jahr später - und dass man darunter erhöhte Cholesterinwerte bekommt, war mir neu. Aber das konnte ich eben mit dem Essverhalten korrigieren, Eisen und Vitamin D wird aktuell vom Hausarzt mit Infusionen aufgefüllt, weil die Werte auch nach 3 Jahren so niedrig sind, dass sich der Speicher leert. Diesen Mangel merke ich im Alltag nicht mal, aber seit es nochmal kalt geworden ist (gestern hats hier geschneit grrrrr), merke ich das deutlich am Schmerzverhalten. Wenigstens aber sind die neurologischen Auffälligkeiten weiter unaufällig seit dem Cortison. An diesem Strohhalm hänge ich ;)

Als ich über Katwarn heute die Mitteilung bekam, dass man sich jetzt gegen Pneumokokken impfen lassen sollte, da dachte ich: Die können mich mal gerne haben, also wirklich.
Ich bin nicht grundsätzlich gegen Impfen - aber nicht wegen jedem Scheiß. Das Immunsystem setzt sich ohnehin tagtäglich mit allen möglichen Viren und Bakterien auseinander.
Ich bin mir zB auch nicht sicher, ob man den Kindern mit kombinierten 6fach-Impfungen wirklich einen Gefallen tut. Ob der Körper wirklich so gut damit umgehen kann. Früher gabs zB eine Tetanus und gut wars. Später eine gegen Diphterie und sowas. Heute ist die kombiniert mit gleich noch drei, vier, fünf anderen Sachen. Sonst immer problemlos weggesteckt, habe ich bei der letzten Auffrischimpfung vor 3 Jahren ziemliche Schwierigkeiten gehabt. Mag Zufall sein, mag dem chronifizierten Zustand zuzurechnen sein - aber vielleicht ist so eine Mehrfachkombi doch nicht so verträglich.

Egal wie. Weitermachen. Eine andere Möglichkeit gibts ja nicht.