Freitag, 19. Oktober 2018

Er ist wieder da - Der unsichtbare Dritte

Als ich noch in L wohnte, konnte ich meine Jahresuhr danach stellen: Jedes halbe Jahr suchte er mich heim, ein immer wiederkehrender Alptraum, der für zwei, drei Wochen blieb und dann so abrupt verschwand wie er kam. Zwar in Nuancen immer ein wenig anders, unterm Strich aber sinnhaftig immer dasselbe: der Angriff eines Mannes (ich bin nie drauf gekommen, wieso ich denjenigen nie sah, aber immer wusste, DASS es ein Mann ist), der mir an mein Leben will - oder wenigstens eben dieses so sehr als möglich zu beeinträchtigen.
Zu jener Zeit war ich mir eigentlich relativ sicher, woher diese Träume kamen - dieses unterschwellige sich-bedroht-fühlen. Weil ich mich nicht nur so fühlte, sondern dieser Bedrohung ganz real und auch schwarz auf weiß (na gut, via Handy-Nachrichten) ausgesetzt gewesen war.
Weil zu diesem Menschen seit einigen Jahren so gar kein direkter Kontakt mehr besteht, ich mich auch nicht für sein Leben interessiere, solange er das Leben der Jungs nicht beeinträchtigt, und mich auch nicht darum kümmere, ob er sich nach wie vor für mein Leben interessiert, ist es ruhig im Kopf geworden. Spätestens seit dem Umsiedeln nach M. Diese hunderte Kilometer trugen sicherlich nicht zuletzt auch dazu bei, endlich Ruhe zu bekommen.
Und ich hab sie genossen, diese Ruhe im Kopf - was zumindest die Alpträume betraf.
Bis letzte Nacht.
Der Mann und ich können uns ja auch nie wirklich einigen: Er lässt stets und ständig und überall die Türen offen (sehr bevorzugt auch im Schlafbereich), weil er sich sonst eingesperrt fühlt und es ihm den Atem abschnürt. Unseren Kompromiss, lieber dafür das Fenster offen zu lassen, muss ich für die Wintermonate noch überdenken. Bei minus 20 Grad will ich persönlich nicht bei offenem Fenster schlafen. Da diskutier ich auch gar nicht :)
Wir haben aber noch keine minus 20 Grad, das Fenster bleibt geöffnet - die Tür aber leider auch.
Da kann ich mich bis zum Erbrechen wiederholen - wir können uns kaum einigen. Eher nur dadurch, dass ich die Schultern zucke und ihn gewähren lasse.

Aber auch das muss ich jetzt überdenken.
Denn letzte Nacht.. da war er wieder da, dieser unbekannte Mann, der mir an das Leben will.
Und im Traum sah ich (erstmals) unseren gemeinsamen Schlafbereich, alles war unvorstellbar chaotisch in diesem Zimmer (was es normal nicht ist, ich vemute, das hing mit der am Abend zuvor geführten Diskussion über Revierungsbedürftigkeiten zusammen) und dann verließ mitten in der Diskussion der Mann den Raum. Während ich noch mit dem Rücken zur Tür stand, spürte ich auf einmal, dass jemand da war.
Diese scheiß offenen Türen! Ich hasse offene Türen!
Ich spürte den Mann, ich spürte augenblicklich die Bedrohung, die mich zu lähmen begann, jede meiner Bewegungen. (Ich träume IMMER, dass ich mich in Gefahrensituationen nicht retten, nicht von der Stelle fortbewegen kann.) Zum allerersten Mal in all meinen Alpträumen wandte ich mich dieses Mal um, um sehen zu können, WER da steht. Da war niemand - doch die Bedrohung war da und ich konnte sie unfassbar körperlich spüren. Ich fühlte, wie ich hochgerissen wurde, um gleich darauf zu Boden geworfen und vernichtet zu werden. Ich wollte nach dem Mann rufen, doch die Stimme versagte. Ich wollte zur Tür hinaus fliehen - und prallte an der Tür vor der Bedrohung ab, die immer noch nicht sichtbar, aber immer noch spürbar war. Wie jemand mit Tarnkappe, klingt jetzt lustig, fühlte sich in der Nacht jedoch weiß Gott ganz anders an.
Aber wie sehr oft in solchen Momenten konnte ich mir selbst zureden "Öffne deine Augen!!"
Das tat ich auch, nur um dann mit Herzrasen auf die halb geöffnete Schlafzimmertür zu starren, den Mann zu verfluchen und erst nach über einer Stunde des Herumwälzens, Ablenkens mit dem Handy und Weglenkens der Gedanken wieder in den Schlaf zu kommen.

Ich habe heute Morgen prompt eine Stunde verschlafen.
Glücklicherweise ist das in Zeiten, wo der Weg aus dem Bett zum Arbeitsplatz geschätzte Null Komma Fünfzehn Sekunden dauert, kein Akt mehr.
Und nach dem ersten guten-Morgen-Kaffee ließen sich die "Ereignisse" der Nacht dann auch endlich abschütteln.

10 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das tut mir leid... Von Träumen von Vernichtung/Todesangst heimgesucht zu werden ist grauslig!! Hoffe, du kannst heute Nacht wieder besser schlafen, und dass das darüber schreiben hilft, damit fertig zu werden! Hab' einen schönen Abend! :-*

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Karamellkatze, ja, solche Träume sind auch grauslig und die hängen mir oft auch eine ganze Weile nach. Den ganzen Tag lang konnte ich heute diese körperliche Präsenz des Unsichtbaren aus der Nacht fühlen - und so hoffe ich auch, dass ich das nicht wieder in den Schlaf mitmehme.
Habe mich vorsorglich in die Musik gestürzt 😇

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ach - und ja: Das Aufschreiben hilft mir wirklich. Meine Schnerztherapeutin hat vor Jahren mal sinngemäß gesagt, dass man dem „Dämon der Nacht“ das Furchterregende nimmt, wenn man es rauslässt und aufschreibt. Dass es schon aufhört, bedrohlich zu sein in dem Moment, wo man schreibt.“ Nun, ganz so klappts bei mir nicht- aber es fühlt sich nicht mehr gar so bedrohlich an.

AnGarasu hat gesagt…

Diese Art von Träumen können einem echt noch lange nachhängen. Ich kann das voll verstehen.
Mich hat fast 25 Jahre lang zwei, dreimal im Jahr einer heimgesucht, der immer gleich ablief. Allerdings war in diesem kein Mensch mein Verfolger, sondern ein Velociraptor, der mich quer durch mein Heimatdorf gejagt hat. Der Traum begann übrigens weit vor dem ersten Jurassic Park Film.
Das Vieh hat mich zwar nie erwischt, aber die Angst und der Fluchtinstinkt aus dem Traum hat sich immer bis in den nächsten Tag ausgebreitet und mir schwer zu schaffen gemacht. Erst, als ich es einmal vor ca. 8 Jahren geschafft hatte, das Vieh mit Absicht in einen Kleintransporter zu locken und einzusperren, war der Spuk für immer vorbei. Seitdem kam der Albtraum nicht wieder.
Daher ist wohl ein guter Anfang, sich dem Verfolger zu stellen, auch wenn man ihn zuerst noch nicht sehen kann. Irgendwann kann man es aber und dann macht man ihn fertig.

Annika hat gesagt…

Das hört sich schauerlich an, liebe Helma. Ich hab ähnliches auch an und ab zu erdulden. Wenn ich es dann geschafft habe, wach zu werden, dann mache ich das Licht an und die Glotze, damit ich wirklich komplett wach werde und beim neuerlichen einschlafen nicht wieder abdrifte in den Albtraum.

Übrigens: wenn man spät abends noch Pilze und Eier isst, folgen die Albträume fast auf den Fuß.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Angarasu, ich musste erstmal googeln, welches dieser Viecher denn dieser Velociraptor eigentlich ist. Der Gedanke, seinen Angreifer nicht nur zu erkennen, sondern im Traum und damit auch für sich zu besiegen, der gefällt mir irgendwie. Ich konnte bis auf einen einzigen Traum nie erkennen, wer mich da angreift - und der letzte Traum beinhaltete zum ersten Mal, dass ich überhaupt versuchte, mich umzudrehen und zu erkennen, wer da ist. Ich konnte ihn nicht sehen, aber spüren - und bin gegen ihn gelaufen. Er war also da, nur eben nicht sichtbar. Aber vielleicht schaffe ich es wie Du, es eines Tages "auszumachen" und loszuwerden.
Ich träume, seit ich Kind war, dass mich ein Mann angreift. Damals noch auf dem elterlichen Hof, er stand hinter der Umzäunung, es war immer dunkel und er war immer ganz in der Dunkelheit verborgen. Aber ich wusste immer, dass er da war, wenn ich allein auf diesem Hof im Dunkeln stand. Einmal warf er ein Messer nach mir und traf mich an der Hand. Ich erwachte davon und mir schmerzte diese Hand. Vermutlich hab ich im Schlaf um mich gehauen.
Später hörten diese Träume auf, kamen dann aber nach dem Ende meiner Ehe wieder.

Ja Annika, Licht und Glotze an habe ich früher in L auch gemacht - denn Schlafen und Wohnen war für mich ein Bereich. Heute mache ich das eher selten.
Pilze und Eier habe ich schon eeeewig nicht mehr gegessen - aber danke für den Tipp ;)

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Liebe Helma, ich kann so gar nicht überhaupt nicht mitreden, weil ich (zum Glück) noch nie einen Alptraum hatte. Ich kann mich eh an meine Träume früh kaum erinnern, ganz selten werde ich wach und weiß es noch.
Wenn du eine derartige Angst und Abneigung vor offenen Türen hast, wäre es dann eine Lösung, wenn du zeitweilig in ein anderes Zimmer zum Schlafen gehst. Wenn dann dieser Traum trotzdem kommt, dann weißt du, dass es nicht an der offenen Tür liegt, sondern ??? Eventuell an einer nicht verarbeiteten Situation in deinem Leben.
Lieben Gruß zu dir
Ich bin oft froh, dass ich nicht so ein bewegtes Nachtleben habe :-)

waage0310 hat gesagt…

Na immerhin..Du hast Dich mal umgedreht...ist doch der 1. Schritt...zur Bewältigung..weiter so...Grüßle

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Wenn ich nur wüsste, was ich da bewältigen muss.. Die Träume hatte ich ja schon vor gewissen Ereignissen.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Du hattest noch nie einen Alptraum?? Du Glückliche!!
Woher die Träume kommen- ich frag mich das auch, dachte auch an Hypnose. Aber ich bin unsicher, ob ich mit der Antwort darauf umgehen kann. Vielleicht lass ich besser alles wie es ist, die Träume sind ja viel seltener geworden.