Dienstag, 20. März 2018

Was wir lieben, macht uns glücklich


Zwar habe ich diese Aussage in einem anderen Blog in einem ganz anderen Zusammenhang gelesen, gleichwohl bildet er für mich den Auftakt zu einem Post, der mir schon seit Tagen in meinem Kopf herumschwirrt, den ich aber irgendwie nicht zu Papier zu bringen vermochte.

Draußen schneit es zarte Flocken trotz kalendarischem Frühlingsbeginn - aber in mir selbst ist schon länger Frühling. Das momentane Lieblingssommerkleid habe ich auf einem Bügel an den Schrank gehangen, ich sehe es jeden Morgen, jeden Abend und nehme somit jeden Tag dieses Gefühl mit und aus dem Bett. Ich freue mich darauf, es überzustreifen, in die Sandalen zu schlüpfen und hinaus in die Welt zu gehen. Den Tag zu begrüßen und ihn zu fragen, was er heute Schönes für mich bereithält. Vielleicht.
Und denke ich an meine Mädelsclique (böse Zungen könnten ja behaupten, das wäre - in Anlehnung an meine Lieblingsschriftstellerin - die Bauch-Beine-Po-Gruppe, weil wir alle ja irgendwie so bisschen mit uns hadern - Frauen halt, was solls; jedoch ich empfinde uns nach wie vor als Sex-and-the-City-Gespann, weil die Rollenverteilung kaum klarer sein könnte *harhar*) und den unlängst im Chat gewälzten Problematiken... Dann frage ich mich schon: Geht es mir auch gut, weil ich eben momentan keine Singlelin mehr bin? Geht es mir auch gut, weil nachts jemand neben mir liegt (meistens jedenfalls), der mir das Gefühl vermittelt, mich geborgen zu fühlen, mich angekommen zu fühlen (meistens jedenfalls, solange wir versuchen, unsere Reizthemen auszublenden, auch wenn man hin und wieder vom Runterschlucken Gefahr liefe, einen Elefantenhals zu bekommen)? Geht es mir auch gut, weil ich die Wahl hätte - gehen oder bleiben? Während ein Single diese Wahl nicht hat - allein ist allein? Geht es mir gut, weil ich mir - zumindest aktuell - nicht die Frage stellen muss, ob ich im Greisenalter noch die Miete aufbringen kann oder nicht? Ob ich dann in ein Zimmer ohne Bad und die Toilette ne halbe Treppe tiefer mieten muss, weil die Mieten bis dahin exorbitant explodiert sind?
Ehrlich gesagt.. Ich habe über diese Themen in all den Jahren - ob als Single oder innerhalb einer Beziehung - nicht wirklich nachgedacht. (Natürlich nicht. Das wäre ja ganz gegen meine Natur!)
Ich lehne mich zurück, schaue gedankenverloren auf die schneebedeckten Bäume vor dem Fenster und weiß, dass ich nichts aus all den Jahren, in denen ich allein war, vergessen habe. Nicht die durchwachten, sehnsuchtsvollen Nächte, weil ich mir vordergründig nicht Sex, aber in jedem Fall jemanden gewünscht hatte, der bei mir liegt, der mich berührt, der mich anschaut und anlächelt und ich weiß: Alles ist gut. Nicht die Tage, in denen mich irgendein Bakterium hinweggerafft hatte und ich selbst mit größter Willenskraft nicht in der Lage war, etwas anzuziehen, in den Supermarkt zu schlurfen und etwas zu essen zu kaufen. Solange die Kinder im Haus waren, konnte man ihnen Geld in die Hand drücken und sagen "Hier ist ein Einkaufszettel". Wenn sie aber im Urlaub oder beim Vater waren, dann bedeutete das für mich: kein Brot, kein Obst, kein gar nix im Haus - überleben mit Trinkwasser aus dem Hahn in der Küche. Nicht die Geburtstage, die ich ganz allein verbrachte, weil entweder grad keiner da war oder aber der Freundin just an diesem Tag eine Audienz bei der Fickbeziehung gewährt wurde ("Ich seh ihn doch sonst erst wieder in drei oder vier Wochen, ich hoffe, du verstehst mich.") und dieses "Wir ziehen um die Häuser, ich lass dich doch nicht alleine" so spontan gekippt wurde wie die Sektflasche, die ich anschließend allein zu Hause köpfte, bevor ich zu heulen begann. Nicht das Weihnachten ganz alleine zu Hause, wo ich mir die Flasche Rotwein mit ins Bett nahm (damals trank ich noch Rotwein, heute mag ich nur noch Weißen) und so lange auf das Leben anstieß, bis es nicht mehr wehtat. Nicht die Momente am Geldautomaten, wo ich 20 Euro abzuheben gedachte und das System meldete: "Sie haben noch einen Betrag von 14,75 Euro zur Verfügung" und daheim sitzen zwei Kinder und das Wochenende steht bevor. Während der Ex-Mann mir immer weiter böse Briefe mit immer neuen finanziellen Forderungen schicken ließ, bei denen meine Anwältin nur noch müde lächelnd abwinkte "Kann er vergessen" - aber mit dem Druck im Kopf lebste eben trotzdem erst einmal. Insbesondere dann, wenn Briefe schreiben abgewechselt wurde von Verbal-/Ausbrüchen vor der KiTa, vor der Haustür oder Treffpunkten, an denen ich die Jungs abholte - und er mich auslachte "Deine Anwältin kann mir tausend Briefe schreiben lassen von wegen 50 m Sicherheitsabstand, das ist mir doch egal."
Ich habe nicht vergessen, wie oft ich mir in dieser Zeit gewünscht hatte, nicht alles würde immer nur an meinen Schultern hängen. Nicht jede Entscheidung würde immer nur in meiner Verantwortung liegen. Würde ich meinen schweren Kopf auch mal auf den Bauch des anderen legen, die Augen schließen und für einen Moment alle Sorgen vergessen dürfen.

Schaue ich heute auf all die Jahre zurück - ob Single oder innerhalb einer Beziehung: Hat der Status tatsächlich etwas daran verändert? Daran, für mein Leben und das meiner Söhne Verantwortung zu tragen und sie auch gern zu übernehmen, weil ich ja diese Kinder auf diese Welt gebracht habe und sie auch von Herzen liebe? Daran, Entscheidungen zu treffen, beruflich, privat? Macht es tatsächlich einen Unterschied, ob meine Entscheidungen vom Mann mitgetragen werden (wollen) oder nicht?
Wir leben zusammen und wir teilen uns die Kosten - aber wäre ein (Über)-Leben nicht auch allein für mich möglich, wenn ich meinen Lebensmittelpunkt von M wieder woanders hin verlegte?
Bin ich mit dem Mann zusammen, weil uns wirtschaftliche Gründe zusammenhalten? Ganz klar: Nein. Jetzt könnte man sagen: "Ja noch nicht, noch arbeitest du und verdienst - aber was ist dann, wenn du mal nicht mehr arbeitest? Schon mal in deinen Rentenbescheid geschaut?" Ja, habe ich - und der Betrag entspricht im Moment meinem Netto-Verdienst vor 12 Jahren. Was kommt, weiß ich nicht, wie es wird, weiß ich auch nicht - und ob das alles irgendwie reicht, weiß ich ebenso wenig.
Aber wären das für mich Gründe, in einer Beziehung zu bleiben, die mich nicht mehr erfüllen kann? In der das Miteinander von elementaren Auseinandersetzungen bestimmt wird, weil beide sich im Recht fühlen? In der man sich so weit zurücknehmen muss, dass man gar nicht mehr man selber ist, auf all die Dinge verzichtet, sich arrangiert, die einen selbst aber ausmachen, mit denen man die eigene Seele füttert? In den letzten Zügen meiner Ehe habe ich es so bezeichnet: "Ich habe mich all die Jahre so kleinhalten und so kleinmachen lassen, zusammengefaltet in einen bunten blumigen Karton mit der Aufschrift C., in dem aber nicht mehr C. (mein echter Name) drin ist". Die Trennung von meinem Ex-Mann habe ich nicht für einen anderen Mann entschieden, ganz gleich, ob es den gab oder nicht. Ich habe diese Entscheidung für mich ganz allein getroffen - unabhängig davon, was werden würde. Weil mir eines klargeworden war: "Lieber lebe ich allein, aber glücklich, als mit einem Mann, mit dem ich nicht glücklich sein kann." Und auch nur deshalb konnte ich all die Jahre nicht nur sehr gut mit dieser Entscheidung leben, sondern habe rückblickend nur eines zutiefst bedauert: dass ich nicht schon viel eher gegangen war.
Ich verstehe durchaus, was die beiden Singlefrauen in unserer Mädelsclique meinen, wenn sie sagen "Überlegt euch gut, was ihr tut. Seid glücklich und dankbar, dass ihr jemanden habt, denn ich selber weiß gar nicht mehr, wie sich das anfühlt, jemanden neben mir zu haben."
Ich denke, dass ich mir eine solche Entscheidung auch nie leicht gemacht habe, ob in einer Ehe mit Kindern oder innerhalb einer Beziehung ohne gemeinsame Kinder. In diesen Momenten habe ich niemals darüber nachgedacht, ob ich "mir das leisten kann zu gehen". Für mich zählte nur eins: Kann ich so weitermachen, kann mich das glücklich machen, ist es das, was ich in zehn, zwanzig Jahren immer noch sehen und fühlen möchte?" Und vor allem: Liebe ich, was ich tue? Macht mich immer noch glücklich, was ich liebe?
Und mir stellt sich oft auch die Frage der (überzogenen) Ansprüche: Habe ich die? Welchen Anspruch habe ich denn überhaupt eigentlich an mich, an das Leben, an das Leben mit einem anderen Menschen? Bin ich nur jemand innerhalb einer Beziehung - oder kann ich mein Leben genauso genießen, wenn ich allein lebe?
Gerade weil ich auch schon allein gelebt habe, weiß ich heute: Mein Leben als Single ist ein anderes (natürlich) - aber mein Leben ist deshalb noch lange nicht zuende. Ich habe eine ziemlich konkrete Vorstellung, wie dieses Leben aussehen würde. Wie mein Lebensraum aussehen würde. Wie die Abende und die Wochenenden aussehen würden.
Letztens waren der Mann und ich abends Sushi essen. Ein kleiner, unscheinbarer Laden - aber ein wirklich vorzügliches Essen! Bis auf die kleinen Geflügelspießchen.
"Ich hoffe, das war auch wirklich Hühnchen", sagte ich zum Mann.
"Was soll das sonst sein? Hahn?"
"Neeein! Die Winkääkaatze von näbenaaan! Nun winkt sie nicht määährrr!"
Er begann zu kichern und ich registrierte erst dann, dass die Bedienung hinter mir stand und eigentlich fragen wollte, ob alles zu unserer Zufriedenheit gewesen wäre :)
Später versumpften wir noch in einer Bar und als er mich am Arm zur U-Bahn führte, meinte er noch: "Du kriegst übrigens keinen Weißwein mehr!"
Das sind Momentaufnahmen, die ich so liebe; miteinander lachen, Spaß haben, sich unbeschwert fühlen. Sich loslösen von Alltag, Dissonanzen - und damit dieses Lebensgefühl aufsaugen: Alles ist gut, alles wird gut - solange man es sich nicht selbst sinnlos schwerer macht. Das sind die Momentaufnahmen, die mich stark machen für den Alltag. Und ich fragte mich: Würde ich mich auch so gefühlt haben, wenn ich solche Momentaufnahmen nicht mit dem Mann, sondern mit einer Freundin erlebt hätte? Würde nicht trotzdem etwas Entscheidendes gefehlt haben?
Ich bin mir nicht sicher, das muss ich gestehen. Aber in einem bin ich mir sicher: Ich werde keine Beziehung um jeden Preis führen - und wie hoch dieser Preis ist, das kann nur ich selbst entscheiden.
Wenn das, was ich liebe, mich nicht mehr glücklich fühlen lässt, dann ist - für mich - der Preis zu hoch.

4 Kommentare:

Wonderful Fifty hat gesagt…

Eine sehr weise Überschrift und ein ganz besonderer und sehr persönlicher Beitrag von dir. Ich habe ganz fasziniert gelesen, wie du von der Sex-and-the-City-Gruppe berichtet hast, wie du sowohl über deine Zeit in einer unbefriedigenden Beziehung, über dein Single-Leben und über das Leben in einer neuen Beziehung geschrieben hast.
Da ich seit meiner Studium-Zeit in der gleichen Beziehung lebe, habe ich hier nicht wirklich eine Vergleichsmöglichkeit zu einem Singleleben und will diese Erfahrung aus derzeitiger Sicht auch gar nicht machen. Sicher gibt es hin und wieder Unstimmigkeiten und es müssen Kompromisse eingegangen werden, aber das wird für mich durch die positiven Aspekte, durch die Gemeinsamkeit und den Zusammenhalt aufgewogen. Es läuft einfach perfekt zurzeit – oder wie du so schön geschrieben hast: Was wir lieben, macht uns glücklich.
Es gibt aber sicher Menschen, die leben lieber alleine und wenn das ihre freie Entscheidung ist, dann genießen sie das Leben und fühlen sich wohl damit. So habe ich eine Bekannte, die noch nie in einer Beziehung gelegt hat – sie ist ein ganz herzlicher Mensch, viel unterwegs, hat ein tollen Job, eine wunderbare Wohnung und will an ihrem Leben zurzeit nichts ändern.
Andere brauchen immer wieder jemanden an ihrer Seite und wollen nicht ihr Leben allein meistern. Das wird dann oft auch zu einer unbewussten Abhängigkeit – nur damit sie nicht alleine sind, selbstständig sein und für ihre Entscheidung die Verantwortung übernehmen müssen, gehen sie einer Trennung aus dem Weg, selbst wenn sie in der Beziehung unglücklich sind.
Egal, wie sich jemand entscheidet, ob für eine Beziehung, für ein Singleleben - wichtig ist allem, dass der Mensch dahinter zufrieden ist.
Ich wünsche dir einen ganz wunderbaren Tag, „feel good“, alles, alles Liebe

ganga hat gesagt…

Liebe Helma,
du hast wunderbare Zeilen über die Liebe geschrieben. Wie es sich doch alles ändert im Leben und nie den Glauben an die Liebe aufgeben.
In einer Biographie von Tina Turner habe ich heute den Satz gelesen, dass sie trotz der schlechten Erfahrungen mit Ike nie den Glauben an die Liebe aufgegeben hat. Es ist schön zu sehen, dass diese tiefe Zuversicht Früchte trägt.

Herzliche Grüße
Ganga

Anonym hat gesagt…

https://www.aphorismen.de/zitat/74679

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Gesa, hab vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar! So viele Gedanken teilen nur wenige mit - aber es freut mich sehr! Was ich damals wünschte, als ich heiratete, weiß ich nicht wirklich mehr, aber zumindest dachte ich, das wäre eine Entscheidung für das Leben. Rückblickend war es aber wohl eher eine Hals-über-Kopf-Entscheidung - und eine, die ich späterhin zwar bitter bereute, zugleich aber dennoch nicht als solche damit haderte: Ich habe zwei wunderbare Jungs - und ich bin einen Weg gegangen, der für mich ganz persönlich wohl ein ganz wichtiger war. Und ich bezweifle irgendwie, dass ich diesen gegangen wäre, wäre ich auf der Insel geblieben. Gut, weiß man am Ende auch nicht - aber ich halte es auch nach wie vor mit dem Song der Toten Hosen "Alles passiert, wie es passieren muss".
Aber natürlich hätte ich es mir auch anders gewünscht, wenn das gegangen wäre. Denn es hätte vor allem meinen Kindern und insbesondere meinem Großen unfassbar viel erspart. Das ist meine ganz persönliche Wunde, die einfach nicht heilt und die jedes Jahr schmerzt. Ich muss noch einen Weg finden, damit meinen Frieden zu machen.
Insgesamt war es dennoch eine wichtige Erfahrung für mich: Ich muss nicht jemanden an meiner Seite haben - ich kann auch ganz gut alleine leben. Nicht ohne Freunde, nicht ohne Menschen, die mir wichtig sind. Aber wenn ich wieder Single wäre, wäre mein Leben trotzdem nicht zuende. Es wäre nur anders. Und ich denke, ich würde auch nicht noch mal mit einem Mann zusammenziehen. Wären die Mieten hier nicht so arschteuer, ich würde mir es mir auch vorstellen können, hier im Haus mein eigenes Zuhause zu haben - und wenn der Mann und ich Lust drauf haben, dann sieht man sich - oder man macht sein Eigenes. Früher hätte ihm so ein Modell auch gefallen, aber ich glaube, inzwischen würde er es nicht mehr wollen ;)

Liebe Ganga, ja ich glaube, das ist irgendwie mein Credo: einfach niemals die Hoffnung aufgeben. Seit Jahren habe ich wohl auch deshalb in meinem privaten Mailpostfach die Fußnote "Egal wie dunkel der Raum auch ist - Liebe und Hoffnung sind immer möglich." Wenn ich so auf die letzten 10 - 15 Jahre zurückschaue, dann war es neben wenigen, aber sehr wichtigen Menschen vor allem die Hoffnung, die mich "getragen" hat. Sie hat mich davor bewahrt aufzugeben, und darüber bin ich heute doch echt froh.