Mittwoch, 9. Februar 2011

Ich habs nicht leicht, aber leicht hats mich

Irgendwie war das ja klar: Kaum gibt es eine neue Grippewelle, bin auch ich wieder dabei.
Alles mitnehmen, was geht, s könnt ja mal was Wichtiges sein.
Pah.
Auf sowas kann ich gut verzichten. Aber wenn hier alles hustet, niest und den Halsweh beklagt, dann bleib auch ich irgendwann nicht mehr verschont. Das Gute daran ist jedoch, dass sich sowas in der Regel nicht lange bei mir aufhält. Vermutlich sagen die Viren oder Bakterien, kaum dass sie in meinen Körper geschlüpft sind: "Ääähh... nee... zu alt... kommt lasst uns abhauen." Also nur ums mal klarzustellen: Solange das ausschließlich die Viren oder Bakterien sagen, kann ich auch damit gut leben!
Momentan weigere ich mich jedenfalls noch standhaft, mir irgendwelche Pillen einzuwerfen. Es gibt ja heutzutage alles Mögliche in allen möglichen Farben. Pille für den Kopf. Pille für den Hals. Pille für die Lunge - na und so weiter, ich will jetzt mal nicht in die Tiefe (!) gehen :-)
Früher fand ich ja solche Mittelchen zur Erleichterung des saisonalen Darbens gar nicht übel. Was wollte ich mich zum Beispiel mit Kopfschmerzen quälen, wenn dank eines kleinen runden Kügelchens sämtliches Übel binnen einer halben Stunde verbannt sein konnte? Zumindest, wenn man sich solche Kügelchen nicht bei jedweder Gelegenheit gönnte oder gönnen musste. Gewöhnungsfaktor, Ihr wisst ja sicher. Seit ich jedoch zu den chronisch Schmerzerkrankten zähle, beleuchte ich das Ganze unter einem etwas anderen Licht. Nach nunmehr sechs Jahren des Dauerschmerzes, einiger Krankenhausaufenthalte und vor allem unzähliger Arztbesuche kann ich - nur für mich aus eigener Erfahrung - sagen:
Lieber mal eine mehr Pille weglassen und dafür dem Körper Gutes tun.
Sich Ruhe gönnen.
Sich Schönes gönnen, das geht schon ganz einfach mit einer Tasse Tee, Wollsocken und Lieblingsmucke. Zum Beispiel. Oder ein schönes Bild malen. Oder lesen. Oder eben schreiben. Briefe an Freunde zum Beispiel, handgeschrieben. Na eben - könnt ich auch mal wieder machen.
Bei herrlich klarem Winterwetter Spazierengehen, bis die Wangen rot werden, dann auf eine heiße Schokolade einkehren.
Sich in der Badewanne aalen.
Schwimmen gehen.
Radeln.
Inlinern.
Ach... Es gibt so vieles, das man sich selbst tun kann. Kurioserweise wissen wir ja sowieso immer am besten, was den (anderen) Menschen guttut - und gönnens uns selber nicht.
Irgendwann hatte ja die Wissenschaft mehr oder weniger zufällig herausgefunden, dass Medikamente gegen Depressionen zum Beispiel auch gut bis sehr gut wirken sollen bei chronischen Schmerzzuständen. Die ersten Jahre weigerte ich mich standhaft dagegen. Warum? Kann ich Euch sagen! Gerade in den Kliniken konnte ich allein am Blick in das Gesicht eines Menschen sagen, wer Psychopharmaka nahm und wer nicht. Denn die, die welche nehmen sollten oder mussten, hatten alle denselben Gesichtsausdruck: Leere müde Augen, herunterhängende Mundwinkel, blasse Gesichter mit trockener Haut. Uuuaaarrggghhh. Zombiehaft, habe ich dazu immer gesagt. Eitelkeit hin oder her, so jedenfalls wollte ich nie aussehen. Vor allem aber wollte ich eben nicht abhängig sein von chemischen Substanzen, die ein Problem nicht lösten, sondern lediglich kaschierten. Irgendwann jedoch gab ich mich dann geschlagen und ein halbes Jahr lang einem Psychopillchen hin, von dem ich lediglich immer dicker wurde, den Schmerz aber nicht lindern oder gar besiegen konnte. Und was für mich schon erschreckend war, auf Fotos aus dieser Zeit zu sehen: Auch ich trug eines Tages diese Zombiefratze, fühlte mich aufgedunsen und schätzungsweise zehn Jahre älter. Komisch eigentlich, wenn man bedenkt, dass Psychopharmaka ja im Grunde... auch die Stimmung heben bzw. aufhellen sollen. Merkwürdig schon - für mich zumindest - dass ich genau das bei keinem Patienten, den ich selbst sah oder sprach, feststellen konnte. Aber OK, vielleicht hatte ich auch zuviel erwartet. Lustig jedenfalls der Vergleich, dass im Entlassungsbericht der ersten Klinik stand: "Modisch gekleidete, wesentlich jünger wirkende Patientin...", während nur ein Jahr später im Bericht der zweiten Klinik stand "40jährige Patientin in gutem Ernährungszustand..." Nach einem halben Jahr jedenfalls bescheinigte mir Frau Doktor: "Also wenn das Medikament jetzt immer noch nicht hilft, dann hilft es auch nicht, dann lassen wir das eben wieder weg."
Meine Rede!
Geholfen hab ich mir am Ende aus eigener Kraft, eben mit diesen "ich tu mir was Gutes"-Dingen - und bis heute hat sich diese Aversion gegen die Medi-Mafia gehalten. Also heute kein Grippostad, sondern lieber einen Spaziergang an der wunderbaren Februarsonne. Muss ich jetzt bloß noch meinen Chef davon überzeugen.

Keine Kommentare: