Montag, 24. Januar 2011

Wenn Wir Sie Nicht Lieben Würden

Einst bekam ich einen Magnetsticker geschenkt "Wenn man einen Mann zum Mond schicken kann, wie kommt es dann, dass wir nicht alle schicken?"
Diesen Sticker hatte ich mir in meinem Büro gut sichtbar an eine entsprechende Unterlage geheftet und bis zum heutigen Morgen eher... nun ja... weniger Gedanken daran bzw. darüber verschwendet.
Nun denkt bei einem solchen Spruch vermutlich jeder zuerst an seinen Liebsten, gefolgt von den Kollegen - aber an die Söhne denkt man wohl eher nicht, na jedenfalls ich nicht. Aber gemessen am Alter darf ich zumindest den einen auch schon als Mann bezeichnen.
Schon als er gestern Abend die Treppe hochstieg, mich noch nicht erblickte und zum Jüngsten sprach: "Du, lass uns erst mal ordentlich ne Runde zocken", da grinste ich noch, trommelte mit den frisch lackierten Fingernägeln (das sieht dann immer soooo gut aus) auf den Türrahmen und sprach in den Hausflur hinein: "Na das weiß ich aber noch nicht, ob das so wird."
Sein Gesichtsausdruck, den er mir dann um die Ecke schob, ließ alsdann jedoch vermuten: Hier muss sich jemand abreagieren.
"Ich hab nen Platten", seufzte das Kind, ach nee, der junge Mann, "der Tag ist gleich wieder gelaufen, nun darf ich morgen früh mit dem Bus fahren." Entsprechend genervt und wortgewaltig verlief dann auch das anschließende Telefonat mit dem Herrn Papa und dann sank er in den Korbstuhl, der das Zocken bedeutete.
"Nichts da", ging ich mahnend dazwischen, "erst kümmerst du dich um die Abfahrtszeit des Busses und darum, ob du alles für morgen beisammen hast."
Schließlich kennen wir sie ja, unsere Pappenheimer, und ich erinnere mich an Zeiten... Ich kann Euch sagen... Morgens 5.50 Uhr, wenn ich Schlag 6 Uhr aus dem Haus gemusst hätte, die Kinners unterm Arm, eins für den Hort, eins für den Kindergarten, steht das eine vor mir, tritt verlegen von einem Bein aufs andere: "Mutti... Ich muss da noch was für Deutsch machen, ich krieg da heut eine Zensur dafür."

Die Nackenhaare, die sich auch angesichts des mordseng gestrickten jeden-Morgen-Planes aufstellten, wuchsen sich glatt zu einer Krause aus, als das Unschuldslamm hinzufügte: "Wir müssen da eine Maske basteln." Und es beeilte sich, noch schnell vor dem Ausbruch des Vulkans zu sagen: "Also die Maske ist schon fertig gebastelt, ich muss sie nur noch gestalten."
Oh Gott, ich erinnere mich an so vieles! Wie ich allmorgendlich Klassenarbeiten unterschreiben, Einträge im Hausaufgabenheft gegenzeichnen, Sportklamotten zusammensuchen, Schulmaterialien suchen durfte zum Schutze des Notenschlüssels meines Sohnes - und natürlich hat sich das Kind zwar bis heute zu einem stattlichen jungen Mann ausgewachsen, leider aber diese Sicherheit "Mama wirds schon richten!"  bis heute nicht abgelegt. Warum auch...

Und so begehrte er auf: "Lass mir doch wenigstens ein paar Minuten, bevor der Kurze ins Bett muss, ich kümmer mich dann später." - "Nix is", wehrte ich jegliche Meuterei ab, "erst kümmerst du dich darum, wie du morgen zur Schule kommst, dann habt ihr immer noch genug Zeit."
Was soll ich Euch sagen...
Natürlich war er nach einer halben Stunde noch immer nicht im Bilde über die Abfahrtszeiten ("wird schon so wie immer sein!") - ein Klick im Internet ist manchmal vermutlich so schwierig wie eine dreißigseitige Klassenarbeit - zumindest erscheint mir das mitunter so -  und dass ihm aber das wohl Entscheidendste, nämlich ein Fahrgeld, fehlte, das - liebe Leute - stellte er heute Morgen unter der Dusche fest, als ich an die Tür klopfte: "Ich muss los, Großer."
Mein erster Reflex ging zum Portemonnaie (doch die letzten Groschen hatte ich bereits Samstag ausgegeben), der zweite Reflex führte meine Hand auf die Klinke zum Kinderzimmer (ist vielleicht in der Sparbüchse noch etwas drin?), aber ebenso schnell ließ ich die Hand auch wieder sinken.
Nein.
Das Kind wird in ein paar Tagen einundzwanzig, ich traus mich fast nicht zu sagen, ist aber so, und - besser spät als nie - ein bisschen Erziehung kann ja nie schaden.
"Mach dir einen Kopp, wie du das hinkriegst, ich habe jetzt leider keine Zeit mehr, ich bin sowieso schon viel zu spät dran."
Tschüss und weg.
Nur um zwei Stunden später mitzukriegen: Die Spardose ist alle und das Kind hat sich wahrheitsgemäß in der Schule abgemeldet: "Ich hab nen Platten und kein Geld für den Bus."
Und ich - ich sitz jetzt hier beim letzten stimmungsrettenden Schokokeks und sinniere noch einmal nach über so ein One-Way-Ticket zum... na Ihr wisst schon!

Copyright Foto: Oliver Trash
http://fotowelt.chip.de/k/tiere-unterwasser/wilde-tiere/der_beisser_s_w/212502/

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