Montag, 25. Juli 2011

Einsatz in vier Wänden Oder: 1.500 Säcke Müll

Tine Wittler ist so ein Mensch, den ich nach wie vor nicht wirklich einordnen könnte. Natürlich gehts immer ums Geld, insbesondere dann, wenn wir von TV-Sendungen sprechen. Andererseits blitzten manchmal doch - so meinte ich - Züge durch, die sie durchaus menschlich machen.
Und ich hab mich schon manchmal gefragt, ob sie da oder dort nicht doch ein bisschen Herzblut einfließen ließ. Hinter jedem Zuhause steckt eben auch ein Mensch, steckt ein Schicksal.
Und wenn mir eines besonders nah ging, dann das der Messie-Mama der letzten Woche.


Was Messie bedeutet, kann, glaube ich, die einfache Definition nicht wirklich wiedergeben.
"Der Begriff Messie-Syndrom (von englisch mess ‚Unordnung‘, die korrekte englische Bezeichnung lautet Compulsive Hoarding) bezeichnet schwerwiegende Defizite in der Fähigkeit, die eigene Wohnung ordentlich zu halten und die Alltagsaufgaben zu organisieren..." (Quelle: wikipedia.de)
Wie gesagt, das ist die Definition. Was das jedoch in der Realität bedeutet, mag man sich oder besser: das kann man sich einfach nicht vorstellen.
Da gab es doch dieses Haus letzte Woche. In den oberen Etagen wohnte der Sohn mit seiner Familie aus Frau und zwei Kindern, eine einfache, schlichte, aber ordentliche Wohnung. Im Souterrain wohnte die Mama des Sohnes. Ach was heißt: wohnte... Hauste wäre hier der passendere Ausdruck. Eine Frau Ende Fünfzig, die schon vor Jahren nicht nur die letzte Chance zur Ordnung verpasst, sondern auch komplett den Überblick verloren hatte. Eine Frau, die völlig verwahrlost und irgendwie auch verwirrt wirkte, eine Frau, die auf den ersten Blick so wirkte, als dass man sie spontan in die Arme nehmen und an sich drücken wollte, vor lauter Mitgefühl, dass sie so zurückgelassen worden war. Im wahrsten Sinne des Wortes. Bei den Worten der Schwiegertochter jedenfalls lief es mir kalt den Rücken hinunter. So abwertend, so desinteressiert - Hauptsache, ihrer kleinen Familie ging es gut: "Ist mir völlig egal, was mit der ist." Boah.

Und der Sohn? Wie hatte der Sohn nur zulassen können, dass seine eigene Mama derart verwahrloste? Und das auch noch quasi vor seinen eigenen Augen? Das werde ich nie niemals verstehen, in diesem Leben nicht mehr. Ich will es auch nicht verstehen. Mag schon sein, dass man nicht helfen kann, wo keine Hilfe gewünscht wird. Aber tatenlos zusehen, wie die eigene Mama oder der eigene Papa rettungslos vermüllen? Die Wittler tat hier mal genau das Richtige: Sie brachte nicht nur das Souterrain in gewohnter Weise in Ordnung (ich gebe zu, auf Dauer wirkt ihr Stil ja schon ein bisschen langweilig - aber immerhin), sie nahm sich nicht nur die Schwiegertochter, sondern auch den Sohn ordentlich zur Brust (und da sage mal noch einer, es gäbe nur böse Schwiegermütter) und wenigstens für die Kamera gingen die nun auf ihre (Schwieger-) Mutter zu und außerdem mit ihr zum Hautarzt.

Böse Zungen können ja behaupten: Egal, wie schön man das Heim auch herrichtet - es wird nicht lange dauern und alles sieht mindestens wieder genauso aus wie vorher. Wenn nicht gar schlimmer. Und ein Patentrezept hätte ich dafür natürlich auch nicht. Aber kann man deswegen einen Menschen, der auch noch zur eigenen Familie gehört, so dahinvegetieren lassen und ihn derart sich selbst überlassen? So wie in der heutigen Sendung, in der sage und schreibe eintausendfünfhundert Säcke Müll aus dem Haus getragen wurden?
Oder ist es wie bei Alkoholikern, wie bei Drogenabhängigen, von denen selbst Therapeuten sagen: Sie müssen erst ganz unten ankommen, damit sie sich wieder aufrichten?
Ich weiß nicht, ich könnte das nicht. Zu sehen, wie ein Mensch, zu dem ich gehöre, der mich auf die Welt brachte oder mich ein wichtiges Stück meines Lebens begleitete, inmitten von Müllbergen auf etwas liegt, das ein Bett sein soll, der ganz allein dort liegt, der ganz allein zurückbleibt, tags und auch nachts - da dreht sich in mir alles um. Für alles gibt es einen Anfang. Auch für Müllberge. Die entstehen nicht über Nacht.

Sich umeinander kümmern, füreinander da sein. Das kann doch nicht zuviel verlangt sein. Und dafür muss man sich doch nicht auch erst einen Privatsender ins Haus holen?
Wie gesagt: Manches will ich gar nicht verstehen.
Und zu guter Letzt hege ich die Hoffnung, dass die Schwiegertochter  die Mutter nicht aus dem Souterrain vertrieben hat, um sich selbst dort im Schönen und Neuen niederzulassen. Leider Gottes gibt es so viele menschliche Abgründe, von denen man immer denkt: Schlimmer ginge es nimmer - und es ging doch schlimmer... Wenn man zum Beispiel aktuell nach Norwegen schaut... aber das ist eine andere, ganz schlimme Geschichte.

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