Wie Ihr wisst, bin ich seit diesem Jahr stolze, stattliche Vierzigerin, die die augenscheinlich beste Zeit in ihrem Leben genießt - oder es zumindest versucht.
Wie Ihr vielleicht auch bemerkt habt (die, die mich nicht kennen), ich bin ein Kind des Ostens. Und damit ein Kind aus einer Welt, in der die Fortschritte dazumal ein paar Jahre brauchten, ehe sie auch unser Territorium erreichten.
Ich weiß noch genau, als zum ersten Mal im "West-Fernsehen" die Rede von der Herstellung von CDs war - Musik auf einer kleinen silbernen Kompaktscheibe, was für eine Erfindung! Damals hörte ich es und dachte: Na mal sehen, ob ich das in meinem Leben noch erfahre, was ne CD ist...
Und heute... Heute liegen in unserem Hause Handy, Spielkonsolen, Laptop, Digitalkamera, DVD-Player mit einer Selbstverständlichkeit herum, als habe es nie etwas anderes gegeben. Bewegen wir uns im world wide web, als hätten wir niemals etwas anderes getan. Die Kenntnisse, die wir uns zur Handhabung all unseres technischen Equipments aneignen mussten, haben wir mühsam Schritt für Schritt erworben - und sehen heute dabei zu, wie unsere Kinder und Enkelkinder (NEIN! bei mir noch nicht!) damit aufwachsen und den Umgang mit einer Sicherheit pflegen, als hätten sie all das Know How bereits mit der Muttermilch aufgesogen.
Ich meine, der Unterschied zwischen uns und unseren Kindern ist schon... ziemlich groß. Was aber sollen erst unsere Eltern oder gar Großeltern sagen? Ist schon irre, wirklich.
Daran musste ich gestern Abend wieder einmal denken, als ich zum Halali des Abendessens blies, keine Reaktion vernahm und bei dem strafenden Blick, den ich in das Kinderzimmer zu werfen wagte, einen genervten Blick kassierte:
"Musst du uns jetzt stören? Ich chatte gerade!"
13 Jahre... In der Realität zu feige, ein Mädel wenigstens nach dem Namen zu fragen, geschweige denn überhaupt anzusprechen - aber im world wide web die Sau rauslassen.
Dass die Ferienlagerliebe schon wieder erkaltet war, wusste ich ja, und dass die Liebe einen neuen Namen bekommen hatte, wusste ich auch. Dass er eben diese Angebetete im Internet fand und mit ihr dort all das bequatscht, wozu er im wahren Leben die Zähne nicht auseinander bekommt - das wusste ich auch.
Als ich ihn jedoch beim Abendessen fragte: "Wie hieß sie doch gleich mal?" erntete ich damit nur einen unverständlichen Blick: "Von wem sprichst du?"
"Na das Mädel aus deiner Klasse, die dir so gefällt. Mit der du chattest."
"Ach die. Nee, mit der hab ich nicht gechattet, ist ne andere."
WOW. Das Bürschchen legt ein Tempo vor, von dem ich grad nicht so genau weiß, von wem er das eigentlich hat. Ich weiß nur, dass mein Vater vor einigen Jahren schon den wohl richtigen Riecher hatte, als er meinte: "Auf den musst du aufpassen."
Ich meine, das Kind war 3 und ihm stand der 4. Geburtstag bevor.
Beim Versuch, mit dem Kind einen Mittagsschlaf hinzubekommen und auf seine Wünsche zum Geburtstag befragt, antwortete es: "Opa, ich will ein Messer haben."
"Ach was, ein Messer, das ist doch nix. Schneidest dir nur damit in die Finger. Willst du nicht lieber ein anderes Geschenk haben?"
"Gut, dann wünsch ich mir eine Pistole."
"Eine Pistole! Das ist ja noch schlimmer - hast du keine anderen Wünsche?"
Woraufhin das 3jährige Kind entnervt seufzte und sprach:
"OK, Opa, also wenn ich kein Messer kriege und keine Pistole, dann will ich eine Bombe haben!"
Ich glaube, es muss hier nicht hinzugefügt werden, dass sich die Sache mit dem Mittagsschlaf erledigt hatte. Der Opa verließ das Schlafgemach und wischte sich noch im Korridor die Lachtränen aus dem Gesicht und sprach zu mir: "Noch kann der Große über ihn bestimmen, aber das dauert nicht lange, dann dreht der den Spieß rum."
Und genau diese Zeit scheint gekommen. Das letzte Machtwort, das Ziggenheimer I. über Ziggenheimer II. jetzt noch sprechen kann, ist der Einsatz einer körperlichen Überlegenheit. Aber... warten wir auch hier noch schätzungsweise 3 Jahre, dann hat sich auch das erledigt ;-)
Dennoch... schleicht sich langsam so etwas wie Wehmut ein. Noch vor wenigen Monaten drehte sich Juniors Welt um Pokemon & Co., keine Folge von "Hotel Zack & Cody" durfte allabendlich verpasst werden.Vergessen... Das Kind hat eine neue, andere Welt entdeckt. Es wird nicht nur groß, es wird immer größer und das gerade irgendwie ganz schön rasant.
Na dann... lehne ich mich jetzt mal ein Stück zurück und schaue mir das bunte Treiben an.
Und während ich noch überlegen werde, ab wann ich ihm Kondome zum Geburtstag schenken darf, wird er sie vermutlich längst in seiner Tasche tragen.
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