Freitag, 29. Mai 2009

Der Blitz Schlägt Immer Dreimal Ein

Kennt Ihr auch diesen Spruch?
Ich sags mal so: Nach so ner bescheidenen Nacht hätte der Tag durchaus besser sein können, aber dann würde es mir wohl zu gut gehen, oder was?
Erst kassiere ich - kaum im Büro angekommen - den ersten (wirklich unverdienten) Anschiss (den empfinde ich aber nicht als einen der drei Blitze, das war höchstens ein Dönnerchen :-)), den ich mit gleich zwei Stück Schoko-mit-Creme-gefüllten-Keks auf einmal plus gerade noch heißem Käffchen hinunterschluckte (is schon komisch irgendwie: die meisten kriegen von Ärger n dicken Hals - ich n dicken Arsch ;-)) hinunterschluckte und mich nach den letzten beiden Tagen Pause in die Arbeit stürzte. Muss doch schließlich wissen, womit ich mein momentanes Krankengeld verdiene :-)
Aber dann... Am frühen Nachmittag ereilte mich der Anruf des Kindesvaters. 
"Jaaaaaa..... Es gibt da ein Probleeeeeemmm....." 
Wenn er so anfängt, weiß ich genau, der will was. Die Einleitung ist uuuuunglaublich lang, des Pudels Kern so knapp wie der kürzeste Penis der Welt (4,45 cm sollens übrigens sein - das arme Schwein ;-) - oder besser... die arme Frau *grins*)
Jedenfalls - das Kind saß daheim vor verschlossener Tür, es hatte seinen Schlüssel vergessen - und drinnen in der Wohnung stand die gepackte Tasche für das Wochenende. Klarer Fall - da muss der Papa eben noch mal wiederkommen. Oder?
Ja - denkste. Der Papa hat darauf ja nun so gar keinen Bock, aber um genau das wortreich und (so hofft er) plausibel begründen zu können, dass er ja gar nicht kann und es auch nicht geht und sowieso und überhaupt, warte ich jedesmal geschlagene 20 Minuten - in denen ich dann schon mit den Fingern auf dem Tisch trommel, der Fuß leicht nervös wippt und die Augenbraue immer höher rutscht... Manchmal sag ich auch: "Du, ich bin hier in der Arbeit, nicht in der Hotline" und dann rückt er mit dem Eigentlichen heraus: "Ich habe ja keine Zeit und keine Möglichkeit und außerdem kann ich nichts dafür, dass Ziggenheimer Junior seinen Schlüssel vergaß - also bring mir bitte bei Gelegenheit die Tasche vorbei."
Wow. Der Mann hat Nerven. Wirklich. Also ich meine, warum ich überhaupt so denke oder empfinde, das wissen nur einige von Euch - und ich bin mir zu 99,999 Prozent sicher, dass sie es genauso sehen wie ich (aber selbst bei einer Quote von 0,999 Prozent würde ich immer noch so empfinden). Hinzugefügt werden (für alle die, die es auch nicht wissen) muss ja auch, dass wir nicht in einer Stadt wohnen (das ist eine der wenigen Entscheidungen in meinem Leben, die ich wenigstens richtig getroffen habe ;-)) und vor gut zwei Jahren habe ich zumindest endlich kapiert, dass der Weg zu mir genauso weit ist wie der Weg zu ihm und dass er ihn genauso gut fahren kann wie ich. 
Lange Rede - kurzer Unsinn, Fakt war: Sobald er mitbekam (und das wiederum geht erstaunlich schnell), dass ich nicht gewillt war, ihm einen weiteren Botengang abzunehmen, ging genau die Musi los, die all die Jahre immer wieder spielt: "Was bist du überhaupt für eine Mutter, du achtest da nicht drauf und dort nicht drauf... die Leute lachen schon über dich... und sie schütteln nur noch den Kopf... bla bla bla..." Er steigerte sich so in Rage, dass ich zwar ruhigen Wortes blieb, mir jedoch die Hände zitterten, als säße ich auf nem elektrischen Stuhl. Die alten Beleidigungen - wow- das hatte ich doch fast schon wieder vergessen (mein neu angeheirateter Name ist übrigens Früh-Alzheimer). Mit den Worten: "Sieh zu, dass du dich kümmerst und die Klamotten bringst" drückte er wutentbrannt den "Off"-Knopf und eigentlich hätte ich lachen mögen bei dem Gedanken, dass es doch wesentlich befreiender gewesen sein musste zu Zeiten, wo man den Hörer noch ordentlich auf die Gabel knallen konnte. 
Anyway - nach zwei Stunden - pünktlich zum Ende des Arbeitstages - nahm ich mein Handy in die Hand und schrieb ihm lieblich und formvollendet, dass ich am Wochenende allen Plänen zum Trotz daheim sein werde, er somit jederzeit die Tasche holen könne, doch aber bitte rechtzeitig bescheid geben möge - Viele Grüße Helma.
Das ist jetzt - Moment, ich schau mal auf die Uhr - vier Stunden her. Eine Reaktion kam noch nicht... Und auch, wenn ich das jetzt hier so locker-flockig niederschreiben kann (s muss an der Weinschorle liegen), so lustig war mir heut Nachmittag noch nicht zumute und mir gingen schon so Gedanken durch den Kopf: Was mach ich eigentlich, wenn er vorbeikommt und höchstpersönlich vor meiner Türe steht? Ich meine, es gab da schon richtig unschöne und auch sehr schmerzhafte Begegnungen - und blöderweise DA funktioniert die Alzheimer-Variante nicht. Nun ja. Das jedenfalls war der 1. Blitz.
Dann kehrte ich heim, öffnete mein Postfach und sofort fielen mir Blitz Nr. 2 und 3 in die Hand. Also als erstes freute ich mich über eine wunderschöne Postkarte einer Freundin, die originellerweise eine solche Karte mit dem Konterfei ihrer 15 Monate alten kleinen Frau anfertigen ließ (sogar mit ebensolcher Briefmarke, wie geil is das denn?). Als zweites riss ich ziemlich ungeduldig den kleineren der beiden Umschläge auf: Elster-Formular - Steuer - Milchkaffees én masse? Als ich dann noch las... 680 Euro (gerundet), dachte ich: Jau - die nächsten Kaffeerunden gehen auf mich!!! Und mir lief spontan s Wasser im Mund zusammen. An dem ich mich wiederum beinah verschluckte, als ich den anschließenden Satz las: "...bitte zahlen Sie bis spätestens 12. Juli ein..."
Was? Wie? Wo?
Nun verstand ich gar nichts mehr. Vor zwei Jahren durfe ich nach einer Schätzung des Finanzamtes irgendwas um die 50 Euro nachzahlen, mein Einkommen hatte sich seitdem nicht erhöht, sondern sogar eine Diät gemacht, Pendlerpauschalen werden auch wieder ersetzt - und dann soll ich - ICH HELMA KAFFEEDURST - fast siebenhundert Euro zahlen? ZAHLEN????
Mir wurde flau im Magen, nein, mir wurde kotzübel und ich dachte an meine aller-aller-allerletzte Reserve im Strumpf, von der kaum noch etwas bleiben würde, wenn ich diese zum Amt trüge.
Noch mal Wow.
Ich war fertsch. Echt. Schweißperlen auf der Stirn, wieder zittrige Hände, die Zunge trocken... und dann las ich den alles entscheidenden Satz "...da Sie trotz mehrfacher Aufforderungen bis heute keine Steuererklärung eingereicht haben, ist dieser Betrag aufgrund einer Steuerschätzung ermittelt worden..." 
Moment. Mooooooooment!! Keine Steuererklärung eingereicht? Das habe ich wohl - und zwar am 6. April diesen Jahres. Sogar die Uhrzeit kann ich angeben, weil ich diese nämlich elektronisch übermittelt hatte. Und Gott sei Dank hatte ich genau dieses auch ausgedruckt.
Es kribbelte mir förmlich in den Fingern, mich hinzusetzen, eine gepfefferte Beschwerde ans Amt zu schreiben und auch abzusenden. In Erwartung einer Erstattung, gefälligst. Der Beschwerdebrief muss nun bis Dienstag warten - bis ich wieder im Büro bin. Vier Tage, die ich hier mit Grummeln im Bauch auf meiner Wohlfühloase liege. Grummeln deswegen, weil derart ungeklärte Dinge liegen mir schwer im Magen. Wenn mir sonst schon alles 3 m weit vorbeigeht - aber DAS!!! Wenn mir einer meine Milchkaffee-Nachmittage streitig machen will, also dann werde ich wild ;-)
Inzwischen hab ich mich ja wieder bisschen beruhigt - Prost! - aber dennoch war das schon... ein zweiter Blitz. Weil eben noch nicht ausgestanden und bis Dienstag ist es noch lange hin.
Der dritte Blitz war dann ein größerer Umschlag von der Polizeidirektion Dresden. Spontan dachte ich an den Blitzer, den ich mir vor einer Woche auf der Autobahn eingefangen habe (na ja, lieber nen Blitzer wie nen Virus) und mir wurde schon leicht übel: So ein großer Umschlag für so ein kleines Vergehen? Oder... Oder sollte mein Tacho spinnen und ich bin bereits zur Fahndung ausgeschrieben sein? Wanted - Helma! 
Da setzte ich mich dann doch auf die Treppenstufen, mir zitterten schon wieder die Hände (Bin ich nicht mehr belastbar? Oder ist es das Alter? Oder fehlte mir schlicht die Weinschorle?) und als ich die fettgedruckte Überschrift las "Schriftliche Zeugenerklärung" mit einer Belehrung, wann ich was sagen muss und wann ich mich verweigern darf, da... holten mich urplötzlich tausend Bilder und Erinnerungen wieder ein. Manche von Euch werden wissen, was ich meine. Nein, ich werde nicht gesucht. Und nein, ich werde auch mit nichts beschuldigt. Dennoch ist es eine Geschichte, die schmerzliche Erinnerungen auslöst und als ich die Hand mit dem Brief sinken ließ, war mein erster Gedanke der, dass ich mich spontan dem nächsten Menschen, der mir begegnete, in die Arme werfen würde mit dem Aufschrei "BITTE! HALT! MICH! EINFACH! NUR! MAL! FEST!", der zweite Gedanke ging (natürlich) zum Entkorken der Weinflasche und der dritte... dahin, was ich letztlich auch tat: eine E-Mail schreiben mit der Frage "Sag mir, was ich tun soll?" Die Antwort kam schnell, glücklicherweise, und so liege ich nun hier... wortreich (wie Ihr sicher festgestellt habt), aber etwas entspannter, langsam regt sich auch wieder so was wie ein Hungergefühl (gutes Zeichen), haut mir ja ab mit dem Telefon (und ich bin trotzdem ne Frau!) und nun sinniere ich nur noch darüber, was ich morgen mit dem Samstag anstelle, der mir ganz allein gehört. Eigentlich wäre ich am liebsten ganz woanders, ob Nord oder Süd, aber in Anbetracht der schon heute vollgestopften Autobahnen bleibe ich doch besser daheim, versuche nicht zuviel zu grübeln und auch nicht zuviel zu trinken, lass mirs einfach gut gehen und... besorge mir jetzt was zu essen.
Bon Appetit. Eure Helma

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Nun da ja fast alles Dynamisch ist konnte ich diesen Blog ja sofort Lesen... Aber ich hätte in dem Falle nicht nur Händezittern beim Zweiten Brief bekommen. Nun es gibt einfach zu viele DInge die einen Aufwühlen sowie deine eben beschriebenen Aussagen des Kindvaters und dann noch solche Fehlerhaften Mitteilungen. Nun ich bin bei meinem dritten Glas Wein und du?

So nun ist Nachtruhe Angesagt...

In freude auf das kommende Wochenende gehe ich jetzt zu Bett und wünsche eine Gute Nacht.

M.